sozial-Recht

Bundessozialgericht

Keine höhere Klinikvergütung bei fehlendem qualifizierten Personal




Pflege auf einer Intensivstation
epd-bild/Werner Krüper
Eine Intensivmedizin in der Klinik braucht auch an Wochenenden zumindest stundenweise Intensivmedizinerinnen und -mediziner. Denn nur dann kann die Klinik vorgegebene Qualitätsstandards einhalten und etwa eine intensivmedizinische Komplexbehandlung abrechnen, urteilte das Bundessozialgericht.

Kassel (epd). Ein Krankenhaus muss bei fehlendem qualifizierten Personal mit einer Kürzung der Klinikabrechnung rechnen. Ist etwa ein Facharzt für Intensivmedizin auch an Wochenenden zumindest stundenweise nicht persönlich im Krankenhaus anwesend, darf die Klinik keine höher vergütete intensivmedizinische Komplexbehandlung abrechnen, urteilte am 26. Juni das Bundessozialgericht (BSG). Denn nur so könne auch an Wochenenden bei Komplikationen die Behandlungsleitung übernommen werden, erklärten die Kasseler Richter.

Arzt muss zumindest zeitweise anwesend sein

Anlass des Rechtsstreits war die Behandlung einer an einem Tumor im Nierenbecken und einer Gelbsucht erkrankten Patientin vom 28. Dezember 2015 bis 4. Februar 2016. Die behandelnde Klinik der Evangelisch-Lutherischen Diakonissenanstalt Dresden rechnete mit der Kaufmännischen Krankenkasse - KKH eine „intensivmedizinische Komplexbehandlung“ ab und verlangte hierfür 25.231 Euro.

Die Krankenkasse zahlte den vollen Betrag unter Vorbehalt. Wegen einer ihrer Meinung nach fehlerhaften Abrechnung kürzte sie dann aber den Betrag und verrechnete mehr als 13.000 Euro mit unstrittigen Forderungen.

Dies bestätigte nun auch das BSG. Denn für die Abrechnung der intensivmedizinischen Komplexbehandlung sei erforderlich, dass jeden Tag, und damit auch an Wochenenden, ein Facharzt oder eine Fachärztin mit der Zusatzweiterbildung Intensivmedizin zumindest stundenweise einmal täglich persönlich anwesend ist und die Behandlungsleitung übernimmt.

Hier waren im Krankenhaus des Klägers zwar zwei Fachärzte Intensivmedizin tätig. Laut Dienstplan waren sie jedoch an einem Wochenende, von Freitagnachmittag bis Montagfrüh, während der Behandlung der Versicherten beide nicht im Dienst. Damit konnten sie in dieser Zeit die Behandlungsleitung nicht wahrnehmen. Die Krankenkasse habe daher den Rechnungsbetrag kürzen und eine geringer vergütete, andere Fallpauschale zugrundelegen dürfen.

Weniger Geld bei geringer qualifiziertem Pflegepersonal

Bereits am 19. April 2016 hatte das BSG geurteilt, dass eine Rechnungskürzung durch die Krankenkasse auch zulässig ist, wenn das Pflegepersonal nicht ausreichend ausgebildet ist und nicht die vorgegebenen Qualitätssicherungsstandards einhält.

In diesem Fall ging es um die Behandlung einer Patientin mit einem Bauchaortenaneurysma, einer gefährlichen Aussackung der Bauchschlagader. Die Westpfalz-Klinikum GmbH in Kaiserslautern stellte für die Behandlung 9.120 Euro in Rechnung.

Die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland zahlte nur 2.245 Euro. Denn das Klinikum habe nicht die „Voraussetzungen der Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma“ vollumfänglich erfüllt. Diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten Qualitätssicherungsanforderungen schreiben vor, dass die Stationsleitung einen „Leitungslehrgang“ absolvieren muss. Daran fehle es hier.

Das BSG hielt die Rechnungskürzung in Höhe von 6.875 Euro für zulässig. Das Krankenhaus habe nicht die vom G-BA verbindlich festgelegten Qualitätssicherungsstandards erfüllt. Die Anforderungen an den Leitungslehrgang richteten sich nach den Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Weiterbildung von Krankenpflegepersonal für die pflegerische Leitung eines Bereichs im Krankenhaus. Hier habe der Stationsleiter zwar einen „modularen Führungskurs“ absolviert, dieser genüge aber den festgelegten Anforderungen nicht.

Landesregelung ist nichtig

Weniger Geld als für eine stationäre oder vorstationäre Behandlung erhält eine Klinik überdies, wenn ein Patient ohne Überweisung ins Krankenhaus kommt und dieses nach der Aufnahmeuntersuchung gegen ärztlichen Rat wieder verlässt. Wie das BSG am 25. Juni 2024 urteilte, komme allenfalls eine Abrechnung als ambulante Notfallbehandlung bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Betracht.

Im Streitfall wurde ein Patient mit einer Kopfverletzung ohne ärztliche Überweisung in der Notaufnahme einer Hamburger Klinik vorstellig. Die Aufnahmeuntersuchung ergab eine Gehirnerschütterung. Gegen ärztlichen Rat verließ der Mann wieder die Klinik. Diese rechnete die Aufnahmeuntersuchung nach dem in Hamburg geltenden „Vertrag Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung“ ab. Dieser sieht vor, dass die Untersuchung als vorstationäre Behandlung abgerechnet werden darf, wenn der Patient die Klinik eigenmächtig verlässt.

Das BSG allerdings erklärte diese Landesregelung wegen Verstoßes gegen Bundesrecht für nichtig. Denn das Krankenhausentgeltgesetz des Bundes sei abschließend und sehe keine gesonderte Vergütung der Aufnahmeuntersuchung vor. Anderslautende entsprechende Landesregelungen seien daher unzulässig. „Für die Vergütung einer voll- oder teilstationären Behandlung fehlt es an einer Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus der Klägerin“, urteilten die obersten Sozialrichter.

Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Intensivmedizin: Az.: B 1 KR 20/23 R

Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Qualitätsstandards bei Pflegepersonal: Az.: B 1 KR 28/15 R

Entscheidung des Bundessozialgerichts zu Aufnahmeuntersuchungen: Az.: B 1 KR 12/23 R

Frank Leth