

Berlin (epd). Die SPD-Bundestagsfraktion hat am 25. Juni in Berlin beschlossen, sich für die Streichung des Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch einzusetzen. Danach strebt die Fraktion „eine alternative Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuchs mit einem besseren Schutzkonzept für das ungeborene Leben“ an.
Selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche sollen dem Papier zufolge im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt und bis zu einer gesetzlich bestimmten Frist legalisiert werden. Eine konkrete Frist wird nicht genannt. Verboten bleiben sollen Abtreibungen ab dem Zeitpunkt, zu dem das Ungeborene außerhalb des Mutterleibs eine Überlebenschance hat. Die gegenwärtige Beratungspflicht vor einem Abbruch soll durch einen Rechtsanspruch auf Beratung abgelöst werden. Eine gute Unterstützung ungewollt schwangerer Frauen könne Abtreibungen verhindern, heißt es in dem Papier.
Die SPD-Fraktion reagiert mit ihrem Vorstoß auf den Bericht der von der Bundesregierung eingesetzten „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“, die im April eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts empfohlen hatte. Zumindest Schwangerschaftsabbrüche in der frühen Phase sollten nicht mehr im Strafrecht reguliert werden, empfahl die Kommission. Konkrete Fristen müsse der Gesetzgeber festlegen.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf den Sozialdemokraten vor, den Kompromiss der 1990er Jahre infrage zu stellen und einen gesellschaftlichen Großkonflikt zu riskieren. Er beschuldigte die Regierungsfraktion, die Polarisierung in der Gesellschaft weiter voranzutreiben.
Kritik kam auch vom Deutschen Caritasverband. Dessen Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa sagte, die von der SPD geplante Aussetzung der Beratungspflicht „enttäuscht uns sehr“. Die Pflicht habe sich bewährt: Sie verschaffe ungewollt schwangeren Frauen in einer belastenden Stresssituation verlässlich Zugang zu allen wichtigen Informationen. Für Ärztinnen und Ärzte sei der Beratungsschein ein wichtiges Indiz, dass die Frau sich aus freiem Willen für eine Abtreibung entschieden habe.
Die geplante Fristenverschiebung sah Welskop-Deffaa ebenfalls als wenig nachvollziehbar: „Die Orientierung an der Überlebensfähigkeit eines Kindes außerhalb des Uterus ist lebensfremd in einer Zeit, in der ein Ultraschall längst vorher zeigt, dass das Kind im Bauch der Mutter lebt, und in der wir wissen, wie viel Zeit, Aufmerksamkeit und Sorge ein Neugeborenes noch lange nach der Geburt braucht, um zu überleben.“
Zuvor hatte sich der Deutsche Frauenrat für eine Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzes ausgesprochen. Betroffene Schwangere und Ärztinnen sowie Ärzte müssten entkriminalisiert werden, begründete der Deutsche Frauenrat am 23. Juni in Berlin seine Forderung.
Den Angaben zufolge beschloss die Mitgliederversammlung des Frauenrats, die am 22. und 23. Juni in Berlin tagte, die Forderung nach einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Allerdings hätten die Arbeitsgemeinschaft katholische Frauenverbände und -gruppen sowie die Frauen Union der CDU Deutschlands dagegen gestimmt. Der Deutsche Frauenrat ist die politische Interessenvertretung von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen.
Derzeit sind Abtreibungen in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, innerhalb einer bestimmten Frist und nach einer Beratung aber straffrei. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte im April eine Reform des Abtreibungsrechts empfohlen. Das Gremium rät, Abtreibungen im frühen Stadium der Schwangerschaft zu erlauben und nicht mehr im Strafrecht zu regulieren. Ob die Bundesregierung noch in der laufenden Legislaturperiode eine Gesetzesänderung in Angriff nimmt, ist offen.