sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Rückzahlungspflicht von Fortbildungskosten darf nicht benachteiligen




Justitia
epd-bild/Heike Lyding
Arbeitgeber müssen die Rückzahlung von Fortbildungskosten im Falle einer vorzeitigen Kündigung einer Mitarbeiterin wasserdicht vereinbaren. Denn wird eine Mitarbeiterin dabei unangemessen benachteiligt, ist die Rückzahlungsklausel unwirksam, urteilte das Landesarbeitsgericht Mainz.

Mainz (epd). Arbeitgeber können sich die Kosten für die Fortbildung einer Mitarbeiterin im Falle einer vorzeitigen Kündigung nur mit wasserdichten Klauseln wieder erstatten lassen. Sieht eine Vertragsklausel die Rückzahlung auch bei einer unverschuldeten Eigenkündigung aus „personenbedingten Gründen“ vor - wie etwa aus gesundheitlichen Gründen - ist solch eine Regelung wegen der unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem am 6. Juni veröffentlichten Urteil. Die Mainzer Richter kippten damit die Rückzahlungsvereinbarung einer Caritas-Klinik, ließen allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu.

Im konkreten Fall hatte die klagende Klinik einer bei ihr seit dem 1. Oktober 2020 beschäftigten Hygienefachkraft eine Fortbildung bezahlt. Die Fortbildung sollte im Zeitraum von Januar 2021 bis Dezember 2022 an insgesamt 90 Tagen stattfinden. Während der Fortbildung wurde die Frau unter Fortzahlung ihrer Vergütung freigestellt.

Gesonderte Rückzahlungsvereinbarung

Auf das Arbeitsverhältnis fanden die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas Anwendung. Diese sehen unter anderem eine teilweise oder vollständige Rückzahlung der vom Arbeitgeber übernommenen Fort- oder Weiterbildungskosten vor, „wenn das Dienstverhältnis auf Wunsch des Mitarbeiters oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet“.

Die Arbeitgeberin verfasste jedoch eine gesonderte Rückzahlungsvereinbarung. Danach sollte die Mitarbeiterin die Kosten der Fortbildung, die in dieser Zeit von der Klinik gezahlte Vergütung sowie die Sozialversicherungsbeiträge ganz oder teilweise zurückzahlen, wenn diese auch während der Fortbildungszeit „aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus den Diensten des Klinikums ausscheidet“.

Vom 14. Juni 2021 bis einschließlich 11. März 2022 war die Mitarbeiterin arbeitsunfähig erkrankt. Sie kündigte bereits am 24. November 2021 das Arbeitsverhältnis aus „medizinischen Gründen“ fristgerecht zum 31. März 2022. Die Caritas-Klinik verlangte daraufhin die Aufwendungen für die abgebrochene Fortbildung zurück - und zwar einschließlich der in dieser Zeit aufgewandten Lohnfortzahlung und der Sozialversicherungsbeiträge, insgesamt 20.450 Euro.

Die Mitarbeiterin habe auf eigenen Wunsch ihr Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet und ihre Fortbildung abgebrochen, argumentierte die Klinik. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sie ihre Tätigkeit dauerhaft nicht ausüben könne. Soweit bekannt sei, sei die Frau kurze Zeit später wieder in ihrem Beruf tätig geworden.

Rückzahlungsvereinbarung zu pauschal

Das LAG urteilte, dass die Arbeitnehmerin die Fortbildungskosten nicht zurückzahlen muss. Zum einen sei die Rückzahlungsregelung in den AVR der Caritas nicht anwendbar, auch wenn laut Arbeitsvertrag die AVR gelten sollten. Denn die Arbeitgeberin habe eine vorrangige, eigene Rückzahlungsvereinbarung getroffen. Danach bestehe eine weitergehende Rückzahlungspflicht der Mitarbeiterin, wenn „die Weiterbildung aus ihrem Verschulden oder ohne Einverständnis des Klinikums auf eigenen Wunsch entweder unter- oder abgebrochen wird“. Eine Rückzahlungsverpflichtung bei Unterbrechung oder Abbruch der Maßnahme und dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis sei zwar möglich, so das LAG. Sie dürfe aber nicht pauschal von der Eigenkündigung des Mitarbeiters abhängig gemacht werden, ohne dass nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens unterschieden werde.

Die individuell getroffene Vereinbarung sehe eine Rückzahlungspflicht auch dann vor, wenn die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung unverschuldet nicht mehr erbringen kann und aus dem Arbeitsverhältnis vorzeitig ausscheidet, etwa aus medizinischen Gründen. Die neue Vereinbarung enthalte im Gegensatz zu den AVR auch keine Klausel, wonach die Rückzahlung der Fortbildungskosten bei einer Schwangerschaft entfalle. Damit benachteilige die Rückzahlungsvereinbarung die Arbeitnehmerin unangemessen, so dass diese unwirksam sei und ersatzlos entfalle.

Ähnliches Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Bereits am 1. März 2022 hatte auch das BAG geurteilt, dass die Rückzahlung von Fortbildungskosten auf jeden Fall ausgeschlossen sei, wenn eine Arbeitnehmerin unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Danach sei andernfalls die gesamte Rückzahlungsklausel unwirksam - auch dann, wenn der Fehler mit dem konkreten Sachverhalt gar nichts zu tun hat. Denn benachteilige eine Rückzahlungsklausel eine Arbeitnehmerin im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unangemessen, löse dies einen „Bleibedruck“ aus, der die Berufsfreiheit der Mitarbeiterin einschränke.

Az.: 2 Sa 90/23 (Landesarbeitsgericht Mainz)

Az.: 9 AZR 260/21 (Bundesarbeitsgericht)

Frank Leth