

München, Berlin (epd). Einer neuen Studie zufolge sind ein Drittel der deutschen Jugendämter in der Lage, alle eingehenden Meldungen auf mögliche Kindeswohlgefährdungen aufzunehmen und zügig zu bearbeiten. Das sei das Ergebnis der Untersuchung „Licht ins Dunkel bringen“, die die SOS-Kinderdörfer weltweit und Transparency International Deutschland gemeinsam vorgelegt haben. „Wir sind davon überzeugt, dass die Dunkelziffer der Betroffenen um ein Vielfaches höher ist. Hier müssen wir alles tun, um das zu ändern“, sagte SOS-Kinderdorf-Sprecherin Anne Beck epd sozial.
Sie betonte zudem, dass es leichter werden müsse, die täglich eingehenden Hinweise im Meldesystem einfacher zu erfassen. In der Studie heißt es, zwei von drei der befragten Behörden könnten aus Personalmangel häufig nicht adäquat reagieren.
„Dass Kinder aufgrund von Personalmangel gefährdet sind, weil nicht rechtzeitig gehandelt werden kann, erscheint mir in einem Land wie Deutschland völlig unverständlich“, sagte Lanna Idriss, Vorständin der SOS-Kinderdörfer weltweit. Ebenso unverständlich sei ihr, dass das Whistleblowing in der Wirtschaft weiter fortgeschritten ist als im Bereich des Kinderschutzes.
Die neue Erhebung sei die erste deutschlandweite Studie überhaupt, die der Frage nachgehe, welche Bedeutung das sogenannte „Whistleblowing“, also das Hinweisen auf verborgene Missstände, für den Kindesschutz hat. Studienleiter Sebastian Oelrich sagte: „Während das ‚Whistleblowing‘ in der Wirtschaft oder in Behörden bereits vielfach untersucht wurde, ist dies im Bereich des Kinderschutzes ein großes Dunkelfeld. Unsere Studie bringt wichtige Erkenntnisse zutage, die klar zeigen, wo Politik und Jugendämter ansetzen müssen.“
Im Rahmen der Studie wurden drei Erhebungen gemacht. So wurden die Internetauftritte einer repräsentativen Auswahl von Jugendämtern untersucht, Mitarbeitende mit Fragebögen konfrontiert sowie Interviews mit Verantwortlichen gemacht.
Obwohl in den Ämtern Einigkeit darüber herrsche, dass Whistleblower eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Kindeswohlgefährdung spielten, weise nur gut die Hälfte der Behörden online auf Meldewege hin. Oelrich sagt: „Hier fehlt es an klarer Kommunikation. Die Behörden müssen es den Hinweisgebenden so einfach wie möglich machen. Ohne Hinweise bleiben Fälle unentdeckt und Hilfen für Kinder und Familien können nicht ankommen.“
Nur ein Drittel der befragten Behörden nennt den Angaben nach eine konkrete Ansprechperson, an die sich Hinweisgebende wenden können. Ebenfalls Nachholbedarf sieht die Studie bei der Aufklärung über Begriffe wie „Kindeswohlgefährdung“ oder „Kindesmissbrauch“. Nicht einmal die Hälfte aller Jugendämter (41,4 Prozent) erklärt konkret, was damit gemeint ist und welches Verhalten gemeldet werden soll. In Bezug auf sexuellen Missbrauch informiert sogar nur jedes vierte Amt.
SOS-Kinderdörfer und Transparency International fordern vor dem Hintergrund der vorliegenden Resultate, unter anderem bessere rechtliche Regelungen zu der Melde- und Kommunikationswegen, eine Verbesserung der Kommunikationskultur, eine Aufstockung der Ressourcen sowie Aufklärungs- und Sensibilisierungsaktionen für die Bevölkerung. Es müsse alles dafür getan werden, dass potenzielle Gefährdungs- und Missbrauchsfälle unkompliziert gemeldet sowie auch anonym, zeitnah und professionell bearbeitet werden können, hieß es.