Bonn, Hannover (epd). Die Mitbestimmung von Mitarbeitervertretungen (MAV) findet beim Outsourcing von Betrieben einer kirchlichen Einrichtung ihre Grenzen. Führt eine Ausgründung zur Nichtgeltung des kirchlichen Arbeitsrechts, ist dies über das Mitbestimmungsrecht nicht zu verhindern, entschied der katholische Kirchliche Arbeitsgerichtshof (KAGH) in Bonn in einem aktuell veröffentlichten Leitsatzurteil.
Konkret ging es um das Outsourcing von Betrieben eines katholischen Krankenhausträgers. Die im zuständigen Erzbistum tätige Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (DiAG) warf der Krankenhaus gGmbH vor, dass deren neu gegründete Tochtergesellschaften, anders als die Muttergesellschaft, nicht mehr auf der Grundordnung des Kirchlichen Dienstes basieren. In ihrem Leitbild komme der Begriff „christlich“ nicht mehr vor.
Seit acht Jahren würden mit den Ausgründungen Beschäftigte aus dem Bereich der Grundordnung in Einrichtungen überführt, für die die kirchlichen Regelungen nicht mehr gelten. Das Erzbistum müsse aber nach einem Apostolischen Schreiben des Papstes vom 11. November 2012 sicherstellen, dass kirchliche Einrichtungen die kirchliche Grundordnung einhalten. Bei Verstößen müsse das Erzbistum rechtliche Maßnahmen gegen die Einrichtungsträger erlassen und verhindern, dass diese den Dritten Weg und damit das kirchliche Arbeitsrecht verlassen.
Den nicht mehr auf der kirchlichen Grundordnung stehenden Betrieben müsse die kirchliche Anerkennung entzogen werden. Das Bistum müsse „geeignete Maßnahmen“ einleiten, dass die Mitarbeitenden, die „den Charakter der Einrichtung prägen“, in einem Dienstverhältnis mit dem kirchlichen Krankenhaus stehen.
Doch der KAGH wies die Klage am 22. Dezember 2023 ab. Allerdings seien kirchliche Dienstgeber „binnenkirchenrechtlich zu einer umfassenden Anwendung des kirchlichen Arbeitsrechts und seiner kollektiven Regelungen verpflichtet“. „Tun sie das nicht, so verlassen sie den geschützten Bereich der kirchlichen Selbstbestimmung.“
Jedoch könne die DiAG nach der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) vom Bistum nicht verbindlich verlangen, dass dieses gegen Ausgründungen vorgeht, für die das kirchliche Arbeitsrecht dann nicht mehr gilt. Mitbestimmungsrechtlich sei dies nicht zu verhindern. Hier sei die Klageschrift auch unzureichend begründet worden. So sei darin nicht ausgeführt, wie die „umfassende“ Überwachungspflicht des Erzbistums aussehen solle. Die Forderung nach „geeigneten Maßnahmen“ sei zu unbestimmt.
Der Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche Deutschland (KGH) in Hannover entschied mit Beschluss vom 5. Februar 2024, dass die gewählte Vertrauensperson einer Schwerbehindertenvertretung ihren gegenüber der Arbeitgeberin geäußerten Wunsch auf Freistellung von der Arbeit vor einem staatlichen Arbeitsgericht und nicht vor einem Kirchengericht geltend machen muss.
Im konkreten Fall stritt die Schwerbehindertenvertretung einer diakonischen Einrichtung in der Evangelischen Kirche Westfalen mit der Dienststellenleitung über den Umfang der Freistellung ihrer gewählten Vertrauensperson. Während die Schwerbehindertenvertretung eine volle Freistellung verlangte und dabei auf eine mittlerweile weggefallene Bestimmung des Sozialgesetzbuchs IX verwies, bot die Dienstelle eine Freistellung von nur 50 Prozent sowie von 25 Prozent für die Stellvertretung an.
Der angerufene KGH wies die Schwerbehindertenvertretung ab. Denn über das Bestehen eines solchen Freistellungsanspruchs könnten nicht die Kirchengerichte, sondern nur die Arbeitsgerichte entscheiden. Es handele sich nicht um einen Anspruch der Schwerbehindertenvertretung, sondern um einen individualrechtlichen Anspruch der Vertrauensperson, die den Freistellungswunsch gegenüber der Arbeitgeberin geltend macht.
Dagegen sind Streitigkeiten um die pauschalen Freistellungskontingente für MAV-Mitglieder in katholischen Einrichtungen Sache der Kirchengerichte. Wie der KAGH nach mündlicher Verhandlung vom 22. Dezember 2023 urteilte, dürfen die in der MAVO festgelegten pauschalen Kontingente nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber anders verteilt werden.
Im konkreten Fall wollte eine MAV bei drei der acht gewählten Mitglieder die festgelegte pauschale Freistellung von 50 Prozent verändern. Statt dreimal 50 Prozent sollte der Vorsitzende zu 80, dessen Stellvertreterin zu 60 und ein weiteres Mitglied zu zehn Prozent von der Arbeit freigestellt werden. Die Arbeitgeberin lehnte ab.
Der KAGH betonte: Der kirchliche Gesetzgeber habe die pauschalen Freistellungskontingente so festgelegt, dass jedes MAV-Mitglied noch seiner Arbeit nachgehen kann. Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ergebe sich kein Anspruch der MAV, die Kontingente ohne Zustimmung des Arbeitgebers zu verändern.
Az.: M 01/2023 (KAGH, Ausgründung)
Az.: KGH.EKD I-0124/19-2023 (KGH, Schwerbehindertenvertretung)
Az.: M 04/2023 (KAGH, Pauschale Freistellung)