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Gesundheit

Geteiltes Echo zur Reform der ambulanten ärztlichen Versorgung




Sprechstunde bei einem niedergelassenen Arzt
epd-bild/Jürgen Blume
Parallel zur Krankenhausreform geht die Bundesregierung auch eine Umgestaltung der ambulanten ärztlichen Versorgung an. Der vom Kabinett beschlossene Gesetzentwurf löst bei den Verbänden kontroverse Reaktionen aus.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat den Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) beschlossen. Damit soll die ambulante Versorgung verbessert werden. „Unser Gesundheitssystem braucht eine Generalüberholung, um stark zu bleiben“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Daher sei eine Reform der ambulanten Versorgung notwendig. Die Hausärzte reagierten zufrieden auf den Kabinettsbeschluss, die Krankenkassen zeigten sich skeptisch.

Kürzere Wartezeiten in Arztpraxen

Ziel der geplanten Reform der ambulanten Versorgung ist es, dass Patientinnen und Patienten leichter Zugang zur ärztlichen Behandlung bekommen. Durch den Wegfall der Honorarbudgets werde es für Hausärzte attraktiver, wieder mehr Patienten anzunehmen, erläuterte das Bundesgesundheitsministerium am 22. Mai in Berlin. Unnötige Quartalsuntersuchungen sollen entfallen, überfüllte Wartezimmer vermieden werden. Der Zugang zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung werde verbessert. Pflege- und Patientenvertreter sollen mehr Beteiligungsrechte erhalten.

Von den gesetzlichen Krankenkassen kommt scharfe Kritik: „Im Ergebnis erwarten wir deutlich höhere Kosten für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, aber im Gegenzug noch nicht mal nennenswerte Versorgungsverbesserungen - im Gegenteil“, reagierte der GKV-Spitzenverband auf den Kabinettsbeschluss. Das geplante Gesetz schade der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Denn „künftig werden weniger Anreize bestehen, ärztliche Praxen in ländlichen Räumen zu führen“, befand der Verband.

Keine Budgets mehr für Hausärzte

Der Verband der Hausärztinnen - Hausärzte begrüßte hingegen den Entwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes. Gleichzeitig bedauerte er, dass zentrale Reformvorhaben wieder gestrichen worden seien.

Als besonders positiv bewertet der Hausärztinnen- und Hausärzteverband die Entbudgetierung der Hausarzthonorare: Sie sei „zwingend erforderlich, um dem laufenden Sterben der Hausarztpraxen etwas entgegenzusetzen“.

Deutliche Kritik übte der Verband an den Krankenkassen, weil sie sich gegen eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung aussprächen. „Wir haben es mit einer ausgewachsenen Krise der hausärztlichen Versorgung zu tun. Diese ist bei den Patientinnen und Patienten leider mit voller Wucht angekommen. Die Krankenkassen nehmen billigend in Kauf, dass eine Hausarztpraxis nach der anderen dicht macht“, sagte Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.

Ausbau der Gesundheitskioske gestrichen

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) vermisst im Kabinettsentwurf Pläne für Gesundheitskioske. Damit ignoriere er Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag. Ursprünglich sollten Gesundheitskioske niedrigschwellige Anlaufstellen in ärztlich unterversorgten ländlichen Gebieten und strukturschwachen Stadtvierteln sein.

„Wir brauchen mehr Gesundheitsförderung, Prävention, Koordination und Kooperation. Wir sehen täglich, wie sehr die Versorgungsstrukturen bröckeln und wie wichtig Prävention und Hilfe zur Selbsthilfe zum Beispiel in Form der Gesundheitskioske wären. Der Deutsche Bundestag ist gefordert, noch entsprechende Kurskorrekturen vorzunehmen“, appelliert das DRK an die Abgeordneten. Der Gesetzentwurf muss noch in Bundestag und Bundesrat beraten und verabschiedet werden.

Im Einzelnen sieht der Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes unter anderem vor:

  • Alle Hausarztleistungen einschließlich Hausbesuche werden künftig ohne Kürzungen vergütet. Budgetvorgaben fallen.
  • Hausärzte und Fachärzte müssen künftig weniger Arzneimittelregresse fürchten, weil die Bagatellgrenze deutlich angehoben wird.
  • Hausärztinnen und Hausärzte, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie zum Beispiel viele Haus- und Heimbesuche, werden höher honoriert.
  • Gemeinden und Städten wird es erleichtert, kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen, damit sie die Versorgung vor Ort besser mitgestalten können.
  • Die Erbringung psychotherapeutischer Leistungen wird vereinfacht.
  • Es wird eine separate Bedarfsplanung für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten etabliert, die Kinder- und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln.
  • Erwachsene, Kinder und Jugendliche, die unter schweren Krankheiten leiden oder von Behinderungen betroffen sind, erhalten einen besseren Zugang zu medizinisch notwendigen Hilfsmitteln. Hierfür sollen die entsprechenden Bewilligungsverfahren für Hilfsmittelversorgungen beschleunigt werden.
  • Die Stimme der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wird gestärkt.
  • Die Zusammenarbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wird gesetzlich festgeschrieben.
  • Service- und Leistungsqualität der Krankenkassen sind für Versicherte künftig jährlich verpflichtend transparent zu veröffentlichen.
Markus Jantzer