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Arbeit

Diakonie als Vorreiter einer "Tätigkeitsgesellschaft"



Der Wirtschaftspsychologe Timo Meynhardt fordert ein neues Verständnis von Arbeit. Dabei könnte die christliche Wertevermittlung hilfreich sein. Diakoniebetriebe sieht er als Vorreiter. Eine Rolle könnte auch das kirchliche Arbeitsrecht spielen.

Berlin (epd). Für eine Abkehr von der starren Unterscheidung zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit hat sich der Wirtschaftspsychologe Timo Meynhardt ausgesprochen. Der Klimawandel, die Digitalisierung aber auch die demografische Entwicklung forderten die Gesellschaft zum Umdenken heraus, sagte der Inhaber des Arend-Oetker-Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und Führung an der privaten Handelshochschule Leipzig auf der Mitgliederversammlung des Verbandes diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) am 15. Mai in Berlin.

„Ein 'Weiter so' ist nicht verantwortlich“

Es brauche eine Renaissance des Menschenbildes „Leben als Tätigkeit“ und ein neues Verständnis der Arbeit hin zur Tätigkeitsgesellschaft - dabei könnte auch die christliche Wertevermittlung in der Familie hilfreich sein. „Ein 'Weiter so' ist unrealistisch und nicht verantwortlich“, sagte Meynhardt.

Meynhardt sagte, das Bild der Tätigkeitsgesellschaft sei als eine Vision zu verstehen, die einen Wertewandel erfordere. Dabei könnten die diakonischen Unternehmen eine Vorreiterrolle spielen.

Um das Gemeinwohl zu stärken, sei es nötig, andere Tätigkeitsformen wie die Sorgearbeit und das Ehrenamt mehr anzuerkennen - was aber nicht zwangsläufig durch finanzielle Gegenleistungen erfolgen müsse. Unternehmen könnten beispielsweise auch in Arbeitszeugnissen nicht nur die Aspekte der Erwerbs- sondern auch der Sorgearbeit und des Ehrenamts betonen.

Freiraum für gesellschaftliches Engagement

Eine andere Idee seien flexiblere Arbeitsverträge, die Freiraum geben, sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Insgesamt sollte eine lebensverlaufsorientierte Arbeitszeitgestaltung ermöglicht werden. Dazu könnte die Ablösung eines festgeschriebenen Rentenalters zugunsten eines Rentenfensters gehören, innerhalb dessen die Menschen ihren Rentenbeginn frei wählen können.

Hinsichtlich der ungleichen Aufteilung bei der Kindererziehung und Haushaltstätigkeiten nahm Meynhardt die Männer in die Pflicht. Eine Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld, die Abschaffung des Ehegattensplittings sowie eine deutliche Reduzierung der Minijobs könnten dabei helfen. Ebenso sollten auch Pflegezeiten durch Lohnersatzleistungen und Anerkennung bei der Rentenversicherung mehr berücksichtigt werden.

Die Ideen der Tätigkeitsgesellschaft könnten in der Tarifpolitik über den Dritten Weg des kirchlichen Arbeitsrechts Einzug finden, sagte Meynhardt. Dabei werden Tarifverträge in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen ausgehandelt, die durch die Dienstgeber und Dienstnehmer paritätisch besetzt sind. Kommt es zu keiner Einigung gibt es ein verbindliches Schlichtungsverfahren. Diese Form der Konsensfindung sei „exportfähig“, erklärte Meynhardt.

Markus Jantzer