sozial-Recht

Bundessozialgericht

Leichtere Brillengläser auf Kassenkosten für schielende Kinder



Kassel (epd). Schielende Kinder mit einer starken Sehschwäche müssen nicht unbedingt eine Brille mit schweren Brillengläsern tragen. Die Krankenkasse kann zur Versorgung mit teureren, leichteren Brillengläsern mit hoher Brechkraft verpflichtet sein, wenn auf diese Weise das Verrutschen der Brille verhindert und das Schielen behandelt werden soll, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 18. April.

Geklagt hatte ein im Streitjahr 2018 sechsjähriger Junge. Als er in die Grundschule kam, schielte er stark und hatte eine Sehschwäche von rund plus acht Dioptrien. Sein Augenarzt verordnete ihm für Nah- und Fernsicht geteilte Kunststoffgläser mit hohem Brechungsindex und einem bis zur Pupillenmitte hochgezogenen Nahteil.

Brille sitzt nicht richtig

Bei Kindern und Jugendlichen kommen die Krankenkassen, anders als bei Erwachsenen, unter bestimmten Voraussetzungen für die Brillengläser auf. Das Brillengestell ist jedoch keine Kassenleistung. Hier wollte die Krankenkasse den Grundschüler mit zwei regulären Kunststoffgläsern versorgen.

Eltern und Augenarzt lehnten dies ab. Wegen der starken Sehschwäche seien die von der Krankenkasse zugesagten Brillengläser viel zu dick und damit zu schwer. Das Gewicht führe dazu, dass die Brille auch mit Sportgestell verrutsche und dann nicht mehr richtig sitze, um das Schielen zu vermeiden.

Die Eltern beschafften selbst die ärztlich verordnete Brille mit hoher Brechkraft. Neben den Mehrkosten für Gestell, Härtung und Entspiegelung zahlten sie hierfür weitere 116 Euro aus eigener Tasche. Dafür wollte die Krankenkasse nicht aufkommen.

Das BSG sprach dem Jungen jedoch die 116 Euro zu. Mit den verschriebenen Brillengläsern mit hoher Brechkraft habe die therapeutische Versorgung des Schielens im Vordergrund gestanden. In solch einem Fall reichten die Leistungspflichten der Krankenkassen weiter als beim Anspruch auf Behinderungsausgleich hinsichtlich der Sehkraft. Die anzuwendende Hilfsmittelrichtlinie sehe bei schielenden Kindern und Jugendlichen keine Beschränkung bezüglich der Brechkraft der Gläser vor. Hier seien die Gläser auch zur Behandlung des Schielens erforderlich gewesen.

Az.: B 3 KR 16/22 R