Berlin (epd). Die Pflegerin eines Seniorenpflegeheims in Berlin-Lichtenberg hat am späten Montagabend Polizei und Feuerwehr verständigt, weil sie wegen fehlendem Personal die Sicherheit der 142 Bewohner gefährdet sah. Zur Übergabe bei Schichtwechsel habe keine examinierte Pflegefachkraft bereitgestanden, sagte eine Polizeisprecherin am 16. April zur Begründung. Aus Verzweiflung habe die Pflegekraft gegen 22.30 Uhr deshalb Polizei und Feuerwehr alarmiert.
Lediglich zwei Hilfskräfte seien in dem Heim in der Gotlindestraße in Lichtenberg anwesend gewesen, hieß es weiter. Die Pflegekraft hatte den Angaben zufolge zuvor versucht, ihre Vorgesetzten und den Träger des Heimes zu erreichen. Diese Versuche seien aber zunächst gescheitert. Nachdem die Feuerwehr mit mehreren Rettungswagen und die Polizei in dem Seniorenheim vor Ort war, sei die Heimleitung schließlich kontaktiert worden. Die Nachtschicht sei daraufhin besetzt worden.
Trägerin der Einrichtung ist die bundesweit tätige Domicil-Unternehmensgruppe mit allein 16 Seniorenresidenzen in Berlin. Das Unternehmen erklärte in einer Stellungnahme, „wir bedauern zutiefst, dass es zu diesem Vorfall gekommen ist, und möchten versichern, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um sicherzustellen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt“.
Der Vorfall sei eine einmalige Situation in der 20-jährigen Unternehmensgeschichte und sei durch eine Verkettung ungünstiger Umstände verursacht worden. Als Gründe nennt Domicil EDV-Probleme bei der Buchung einer Zeitarbeitskraft sowie ein nicht mitgeführtes sowie ein abgeschaltetes Diensttelefon von Vorgesetzten. Es habe aber zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der Bewohnerinnen und Bewohner bestanden.
Der Vorstand der Deutsche Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte, im Kampf um mehr Personal habe die Altenpflege weiter das Nachsehen. Klar sei, viele Pflegeeinrichtungen seien in der Nachtschicht personell minimal oder sogar unterbesetzt. „Doch wo und wie oft das vorkommt, kann niemand sagen“, sagte Brysch. Denn während in Krankenhäusern die Zahl der Pflegefachkräfte zunehme, sinke sie in der Altenpflege. Hier gebe es vor allem für Berufseinsteiger deutlich schlechtere Verdienstchancen, so seine Begründung.
Die Sprecherin für Pflege der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Silke Gebel, erklärte, sie erwarte von der Heimaufsicht, dass sie den Betreiber in Lichtenberg genauer unter die Lupe nimmt. „Das, was wir nun in Lichtenberg erlebt haben, ist eine neue Qualität der Pflegekrise“, sagte Gebel. Es sei ein Alarmsignal, das der Senat endlich ernst nehmen müsse: „Wenn wir in Berlin keine Fachkräfte ausbilden, wird sich der Pflegenotstand weiter zuspitzen. Wir müssen zudem den Zugang für junge Pflegekräfte attraktiver gestalten“, sagte die Grünen-Politikerin.