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Studie: Flüchtlinge warten über ein Jahr auf medizinische Versorgung




Blutdruckmessung bei einer schwangeren Migrantin (Archivbild)
epd-bild/Thomas Morell
Um bei Flüchtlingen zu sparen, hat der Bund eine Ausweitung der Bezugsdauer für Asylbewerberleistungen beschlossen. Die reduzierten Leistungen gibt es nun für bis zu drei Jahre. Eine DIW-Studie bezweifelt aber, dass damit wirklich gespart wird.

Berlin (epd). Die Ausweitung der Bezugsdauer von Asylbewerberleistungen hat einer Studie zufolge negative Konsequenzen für die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland - und damit auch auf die Kosten der Gesamtbevölkerung. Derzeit warten Flüchtlinge im Durchschnitt mehr als ein Jahr (376 Tage), bis sie Anspruch auf die reguläre Gesundheitsversorgung haben, wie aus einer am 20. März vorgestellten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) hervorgeht.

Abgesenkte Leistungen

Mit der Ausweitung der Bezugsdauer der Asylbewerberleistungen, die unterhalb der regulären Grundsicherung liegen, werde sich dieser Zeitraum auf knapp zwei Jahre verdoppeln, prognostiziert Studienautorin Louise Biddle.

Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben Flüchtlinge in der ersten Zeit in Deutschland nur in akuten Notfällen Anspruch auf medizinische Hilfe. Die maximale Bezugsdauer für die abgesenkten Leistungen wurde im Februar von 18 auf 36 Monate verdoppelt. Spätestens nach Ablauf dieser Wartezeit haben Schutzsuchende Anspruch auf die reguläre Grundsicherung. Früher kommen sie nur mit einem positiven Asylbescheid aus den reduzierten Leistungen heraus.

Laut DIW-Studie warteten 2021 fast zwei Drittel (64 Prozent) der Asylantragsteller die damals geltenden 18 Monate, bis sie den regulären Anspruch erhielten. Hätte bereits damals eine maximale Bezugsdauer von drei Jahren gegolten, hätten 52 Prozent der Geflüchteten die vollen 36 Monate warten müssen, hieß es.

Verschleppte Behandlungen

Biddle findet die lange Wartezeit nach eigenen Worten kurzsichtig. Aus anderen Studien wisse man, dass eine medizinische Behandlung eher teurer werde, wenn gesundheitliche Probleme nicht frühzeitig behandelt werden. Sie verwies auf Nachteile für Menschen mit chronischen Erkrankungen, auf deren Behandlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz kein Anspruch besteht. Die Behandlung werde aber teurer, wenn sie verschleppt werde. Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen werde die Kosten für Länder und Kommunen nicht senken, erklärte die Forscherin.

Die Verlängerung der Bezugsdauer für Asylbewerberleistungen wurde von Bund und Ländern mit einer Reduzierung der Kosten begründet. Ein Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom vergangenen November bezifferte die Einsparungen vage „im dreistelligen Millionenbereich“.

Biddle hat daran Zweifel und verweist auf das aufwendige System, wenn Behandlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht über die Krankenversicherung, sondern über Behandlungsscheine bei der Kommune abgerechnet werden. Hamburg, das als eines von bislang sechs Bundesländern eine elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt habe, spare damit 1,6 Millionen Euro jährlich in der Verwaltung, sagte die Wissenschaftlerin. Sie empfahl den anderen Bundesländern, ebenfalls auf die Gesundheitskarte zu setzen.

Corinna Buschow