sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Arbeitszeugnis darf für den Postversand gefaltet werden




Justitia auf dem Römerberg in Frankfurt am Main
epd-bild/Heike Lyding
Nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses erwarten Arbeitnehmer ein "wohlwollendes" Arbeitszeugnis. Es bedeute keine Abwertung des Beschäftigten, wenn das Arbeitszeugnis seine Anschrift enthält, urteilte das Landesarbeitsgericht Rostock.

Rostock, Erfurt (epd). Arbeitnehmer und Arbeitgeber streiten immer wieder über die Formulierungen im Arbeitszeugnis oder über - bisweilen vermeintliche - Formfehler. So darf ein Arbeitszeugnis zweimal gefaltet werden und die Anschrift des Arbeitnehmers enthalten, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 2. November 2023. Die Angabe der Anschrift sei durchaus üblich und lasse nicht darauf schließen, dass wegen des Postversandes des Arbeitszeugnisses der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter nicht mehr sehen wollte, erklärten die Rostocker Richter.

Vom Chef unterschrieben

Im aktuellen Fall hatte die klagende Rechtsanwältin ihrer Arbeitgeberin außerdem unterstellt, unzulässige „Geheimzeichen“ im Arbeitszeugnis zu verwenden. Diese, eine Anwaltskanzlei, hatte ihr zum 31. Dezember 2021 betriebsbedingt gekündigt. Als die Klägerin ihr Arbeitszeugnis erhielt, verlangte sie Änderungen. So müsse unter der Unterschrift des Kanzlei-Inhabers in Druckbuchstaben dessen Name und Position aufgeführt werden.

Mit der Form ihres Arbeitszeugnisses war sie ebenfalls nicht einverstanden. Das Arbeitszeugnis enthalte ihre Anschrift. Dies weise auf eine postalische Zustellung und den Willen des Arbeitgebers hin, sie nicht mehr sehen zu wollen. Es wäre besser gewesen, ein persönliches Anschreiben zu verfassen, damit die Anschrift nicht im Arbeitszeugnis steht. Außerdem sei das Zeugnis zweimal gefaltet worden. Dadurch sei es für spätere Bewerbungen nur eingeschränkt kopierfähig. Die Arbeitgeberin hielt die Angabe der Anschrift der Klägerin, die Faltung des Arbeitszeugnisses und die Form der Unterschrift für zulässig.

Lesbarkeit eines gefalteten Zeugnisses

Das LAG gab der Klägerin teilweise recht. Sie könne verlangen, dass unter der Unterschrift der Arbeitgeberin in Druckschrift der Name des Unterzeichnenden und dessen volle Funktion in der Kanzlei aufgeführt werde.

Allerdings sei es zulässig und üblich, ein Arbeitszeugnis zweimal zu falten, um es in einem Geschäftsbriefumschlag per Post zu versenden. Etwas anderes gelte nur, wenn mit der Faltung die Lesbarkeit des Zeugnisses erschwert werde.

Es gebe keinen Beleg dafür, dass der postalische Versand auf einen fehlenden Willen der Arbeitgeberin schließen lasse, die Klägerin zu sehen. Auch die Anschrift der Arbeitnehmerin im Arbeitszeugnis sei damit nicht zu beanstanden.

„Wohlwollend, aber im Rahmen der Wahrheit“

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte am 25. August 2021, dass für ein qualifiziertes Arbeitszeugnis die Form stimmen muss. So müsse dieses als Fließtext ausformuliert sein. Der Arbeitgeber dürfe das Arbeitszeugnis nicht wie ein Schulzeugnis als Tabelle gestalten. Denn das Zeugnis in Tabellenform habe „nur geringe Aussagekraft“, da es alle Fähigkeiten und Tätigkeiten gleichwertig nebeneinanderstelle.

Ein Arbeitgeber müsse „wohlwollend“, aber „nur im Rahmen der Wahrheit“ beurteilen, stellten die obersten Arbeitsrichter in einem Urteil vom 18. November 2014 fest. Bescheinige ein Arbeitgeber in einem Arbeitszeugnis, der Arbeitnehmer habe die ihm übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ erledigt, so entspreche dies der Schulnote „befriedigend“. Schlechtere Beurteilungen müsse der Arbeitgeber begründen.

Ein „wohlwollendes“ Arbeitszeugnis bedeutet nicht, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, sich für die geleistete Arbeit zu bedanken, oder dass sie dem Beschäftigten alles Gute wünschen. Eine gesetzliche Verpflichtung auf entsprechende Schlussformulierungen in Arbeitszeugnissen gibt es nicht, urteilte das BAG am 11. Dezember 2012.

Weisungsbefugter Vorgesetzter darf unterschreiben

Arbeitnehmer können nicht verlangen, dass der oberste Chef das Arbeitszeugnis unterschreibt. Es reicht nach einem Urteil des LAG Mainz vom 12. Dezember 2017 aus, dass ein ranghöherer weisungsbefugter Vorgesetzter das Arbeitszeugnis unterzeichnet. Damit scheiterte eine angestellte Klinik-Managerin mit ihrer Klage. Sie wollte, dass die Klinikdirektorin ihr Arbeitszeugnis unterschreibt.

Nur aus besonderen Umständen der Arbeitsorganisation oder wenn dies tariflich vorgesehen ist, könne sich eine andere Praxis bei der Zeugnisausstellung ergeben. Dies sei etwa bei Krankenhausärzten der Fall, bei denen üblicherweise der Chefarzt das Zeugnis unterschreibt.

Az.: 5 Sa 35/23 (LAG Mecklenburg-Vorpommern)

Az.: 9 AZR 262/20 (BAG, Fließtext)

Az.: 9 AZR 584/13 (BAG, wohlwollendes Zeugnis)

Az.: 9 AZR 227/11 (BAG, gute Wünsche)

Az.: 8 Sa 151/17 (LAG Rheinland-Pfalz)

Frank Leth