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Behinderung

Down-Syndrom: Fotografieren gegen falsche Bilder im Kopf




Fotografin Conny Wenk mit ihrer Tochter Juliana
epd-bild/Conny Wenk
In Deutschland leben schätzungsweise 50.000 Menschen mit Down-Syndrom. Sie seien nicht behindert, sondern außergewöhnlich, sagt die Stuttgarter Fotografin Conny Wenk und will mit ihrer Arbeit auf deren Einzigartigkeit aufmerksam machen.

Stuttgart (epd). Der VfB Stuttgart hat sportlich gerade einen Lauf. Ihre Bekanntheit nutzen Fußball-Profis wie Deniz Undav, Waldemar Anton und Angelo Stiller auch, um gesellschaftliche Berührungsängste abzubauen im Umgang mit Menschen mit Down-Syndrom. Der Stuttgarter Verein „46Plus“ startete am 21. März zusammen mit dem VfB Stuttgart eine Informationskampagne, für die sich die Kicker gemeinsam mit Jugendlichen mit Down-Syndrom ablichten und filmen ließen.

Umgesetzt hat das Projekt die Stuttgarter Fotografin Conny Wenk, die sich ehrenamtlich bei „46Plus“ engagiert. Der Vereinsname spielt auf das zusätzliche Chromosom an, das Auslöser für das Down-Syndrom ist.

Nach Diagnose im Schockzustand

Die 55-Jährige hat selbst eine Tochter mit Down-Syndrom. An den Moment der Diagnose im Jahr 2001 erinnert sie sich noch genau: „Ich bin in eine Art Schockzustand verfallen.“ Völlig falsche Bilder habe sie über diese Menschen im Kopf gehabt. Und als ihr eine Krankenhausseelsorgerin aus einem veralteten klinischen Wörterbuch etwas von „mongoloider Idiotie“ vorlas, näherte sie sich einer Depression.

Erst der Kontakt zu anderen Frauen mit Down-Syndrom-Kindern richtete sie wieder auf: „Das waren ganz tolle Mütter, die wirkten gar nicht deprimiert. Nach dieser Begegnung ging's bei mir bergauf.“ Conny Wenk machte sich an ihr erstes Buchprojekt, fotografierte 15 dieser Mütter mit ihren Kindern und brachte es unter dem Titel „Außergewöhnlich“ auf den Markt. Rund 25.000 Exemplare wurden davon verkauft, einige gingen an Geburtsstationen, um Eltern Neugeborener mit dieser Diagnose Mut zu machen.

„Keine Gewähr, immer gesund zu sein“

Heute hat Conny Wenk ein völlig anderes Bild von betroffenen Kindern: „Meine Tochter Juliana leidet nicht unter dem Down-Syndrom, sie führt ein absolut lebens- und liebenswertes Leben.“ Mitleid gegenüber Menschen mit Down-Syndrom sei fehl am Platz. Wenk, die später noch einen Sohn ohne Down-Syndrom zur Welt brachte, wehrt sich auch dagegen, Menschen nur nach ihrem Gesundheitszustand zu beurteilen. „Keiner von uns hat die Gewähr, immer gesund zu sein - wir brauchen eine andere Einstellung gegenüber Einschränkungen, die jeder von uns hat“, sagt sie.

Tochter Juliana hat dem Leben ihrer Mutter eine neue Richtung gegeben. Ihren Job als Personalchefin in einem Medienunternehmen hängte sie an den Nagel und konzentriert sich seitdem aufs Fotografieren. Inzwischen ist sie ausgesprochen gefragt, macht Porträts für Businessfrauen wie für Hochzeitspaare, hat einen Prominenten-Kalender und mehrere Bücher produziert. Und sie fotografiert Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom. „Dass ich heute Fotografin bin, habe ich meiner Tochter zu verdanken“, resümiert sie.

Bilder haben auch aufklärerischen Charakter

Ihre Arbeit mit Bildern betrachtet die quirlige und lebensfrohe Frau nicht nur unter künstlerischen, sondern auch unter aufklärerischen Gesichtspunkten. Bei Menschen mit Down-Syndrom ist das Chromosom 21 in jeder Zelle drei- statt zweifach vorhanden, deswegen spricht man auch von einer Trisomie 21. Die Trisomie 21 sei eine Genveränderung, aber keine Krankheit, sagt Wenk: „Jedes Kind mit Down-Syndrom ist einzigartig in Charakter, Persönlichkeit sowie Ausprägung von Intelligenz und Lernfähigkeit.“

Die Gesellschaft wisse aber noch viel zu wenig über die rund 50.000 in Deutschland lebenden Menschen mit Down-Syndrom, deshalb könne man Berührungsängste nicht verübeln, meint sie. Um diese abzubauen, sucht Conny Wenk für ihre Projekte immer wieder den Kontakt zu Prominenten.

Ob Elyas M’Barek, Harald Schmidt, Maria Furtwängler und Günther Jauch - Wenk hat sie alle vor der Linse gehabt. Und die Kinder und Jugendlichen, mit denen die leidenschaftliche Aufklärerin und Fotografin in Sachen Down-Syndrom im Rahmen ihrer Projekte zu tun hat, lieben diese Art der Öffentlichkeitsarbeit. So habe sie nach dem Shooting mit den Stars des VfB Stuttgart der 17-jährige Alexander angerufen und ihr mitgeteilt: „Du, Conny, das nächste Mal hätte ich dann gern eine Fotosession mit Helene Fischer und Manuel Neuer.“

Matthias Pankau