sozial-Recht

Klinikfusion: Kassen müssen höhere Transportkosten nicht tragen




Bundessozialgericht entlastet Kassen von höheren Transportkosten nach Klinikfusion
epd-bild/Peter Jülich
Ein Krankenhaus muss Kosten für Krankentransporte zwischen weiter entfernten Fachabteilungen selbst tragen. Erbringt ein Rettungsdienstleister nach einer Klinikfusion die längeren Transportwege, kann er sich die Leistung nicht von der Krankenkasse erstatten lassen, urteilte das Bundessozialgericht.

Kassel (epd). Entschieden hat das Gericht den Fall, dem ein Zusammenschluss von zwei Krankenhäusern zugrunde liegt. So soll die Behandlungsqualität verbessert und Einsparpotenziale ausgeschöpft werden. Es können aber auch neue Kosten entstehen, nämlich hier durch weitere Transportwege. Denn befinden sich einzelne Fachabteilungen nach der Fusion an unterschiedlichen Standorten, können sich weder der Krankenhausbetreiber noch der Rettungstransportdienstleister die anfallenden Kosten für Krankentransporte zwischen den Kliniken von der Krankenkasse erstatten lassen, urteilte am 22. Februar das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel.

Hintergrund des Rechtsstreits war die 2013 vollzogene Fusion des Kreisklinikums Donaueschingen mit dem Städtischen Klinikum Villingen-Schwenningen zur Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH. Das 1.000-Betten-Lehrkrankenhaus der Universität Freiburg verfügt damit über zwei Standorte, die rund 20 Kilometer voneinander entfernt sind. Müssen Patienten zwischen den beiden Betriebsstandorten zur Weiterbehandlung verlegt werden, stellen die Klinikärzte für den Krankentransport eine Verordnung aus.

Auslöser des Rechtsstreits war ein Vermerk des Ministeriums

Die DRK Rettungsdienst Schwarzwald-Baar gGmbH ist nach dem Rettungsdienstgesetz Baden-Württemberg verpflichtet, ärztlich verordnete Krankentransporte auszuführen. Die Kosten für den Transport zwischen den beiden Standorten wurden zunächst vom Krankenhaus übernommen. Nach Angaben des DRK-Rettungsdienstes fallen hierfür jährlich zwischen 100.000 und 150.000 Euro an.

Doch dann wurde ein Vermerk des baden-württembergischen Sozialministeriums bekannt. Das Ministerium vertrat die Auffassung, dass die Krankenkassen und nicht das Krankenhaus für die Transportkosten aufkommen müssen. Daraufhin weigerte sich das Klinikum im aktuellen Musterverfahren, dem Rettungsdienstbetreiber Kosten für drei Krankentransporte in den Monaten November und Dezember 2015 zu erstatten. Insgesamt ging es um 265 Euro. Der DRK Rettungsdienst hatte die Versicherten nach Verordnung der Krankenhausärzte zu dem jeweils anderen Betriebsstandort des Krankenhauses transportiert.

Niederlage im Zivilrechtsverfahren

Ein Zivilrechtsstreit brachte keinen Erfolg. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht urteilten, dass der Klinikbetreiber nicht die Krankentransportkosten übernehmen muss. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Daraufhin verlangte der DRK-Rettungsdienst von der AOK Baden-Württemberg die Erstattung der Krankentransporte. Nach dem Sozialgesetzbuch IV müsse die Krankenkasse die Verlegung der Versicherten in ein anderes Krankenhaus bezahlen, wenn das aus „zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist“, argumentiert das DRK. Hier hätten die Klinikärzte die Verlegung verordnet, so dass ein medizinischer Grund vorliege.

Die AOK bestritt indes einen Erstattungsanspruch. Sie müsse nur für Krankentransporte in ein „anderes“ Krankenhaus aufkommen. Hier handele es sich aber um ein Krankenhaus, das zwei Betriebsstätten habe. Damit lägen innerklinische Transportfahrten vor, für die das Krankenhaus selbst aufkommen müsse, so die Kasse.

Bundessozialgericht gab nun der AOK recht

Ohne Erfolg verwies der DRK-Rettungsdienst auf die Entscheidung des Landgerichts, wonach das Krankenhaus nicht zur Kostenerstattung verpflichtet sei. Er müsse die Fahrten nach dem Rettungsdienstgesetz machen, daher müsse er auch für diese Leistung bezahlt werden.

Während die Vorinstanzen die Krankenkasse zur Zahlung verurteilt hatten, gab das BSG nun der AOK recht. Zwar sei die Krankenkasse verpflichtet, für Leistungen aufzukommen, die stationär erbracht werden. Dazu gehöre nach dem Gesetz auch die Kostenübernahme für zwingend medizinisch notwendige Krankentransporte in ein Krankenhaus. Gemeint sei hier aber nur ein Krankentransport zur stationären Erstaufnahme. Im Streitfall handele es sich aber nur um innerklinische Transporte zwischen den einzelnen Betriebsstätten und nicht um Transporte in ein „anderes Krankenhaus“. Diese Transportleistungen fielen daher unter die Gesamtbehandlungsverantwortung des Krankenhauses, befand das Gericht.

Zudem erhalte der Krankenhausbetreiber für die stationäre Behandlung der Versicherten von der Krankenkasse eine Fallpauschale. Nehme das Krankenhaus für die Behandlung auch Leistungen „Dritter“ in Anspruch, so seien diese von den Fallpauschalen gedeckt, stellte das BSG klar. Das gelte auch dann, wenn die Krankenhausärzte die Verlegung verordnet haben. Ansprüche gegen das Krankenhaus könne der klagende DRK-Rettungsdienst daher nur vor einem Zivilgericht geltend machen.

Weil der klagende DRK-Rettungsdienst den Zivilprozess vor dem Landgericht rechtskräftig verloren hatte, bleibt ihm nur noch die Möglichkeit, einen weiteren, vergleichbaren Rechtsstreit abzuwarten, um dann erneut vor dem Amts- und Landgericht zu klagen und letztlich dann auch den Bundesgerichtshof anrufen zu können.

Az.: B 3 KR 15/22 R

Frank Leth