sozial-Thema

Missbrauch

Präsidentin: "Machtgefälle in der Diakonie genau anschauen"




Sabine Weingärtner
epd-bild/Diakonisches Werk Bayern

Nürnberg (epd). Die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Bereich der Diakonie hat nach Ansicht der bayerischen Diakonie-Präsidentin Sabine Weingärtner zu viele Jahre nicht die erforderliche Aufmerksamkeit erhalten. „Da ist unglaublich viel Zeit vertrödelt worden“, sagte Weingärtner dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei ihrem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren habe sie das Thema sexualisierte Gewalt bewusst in ihren Zuständigkeitsbereich geholt. Weingärtner warnte nach Veröffentlichung der ForuM-Studie aber auch davor, „in Hyperaktivität zu verfallen“: „Es geht nicht darum, möglichst viel zu tun, sondern das richtige.“

Was aber das richtige ist, sei schwer zu beantworten, sagte Weingärtner: „Wir müssen die Aufarbeitung mehr in Gang bringen“, denn auch in diakonischen Einrichtungen gab es körperliche, psychische und sexualisierte Gewalt: „Hier wollen wir mehr Verantwortung als bisher übernehmen.“ Dabei gelte es zuerst die Bedürfnisse der Betroffenen zu berücksichtigen. „Manche möchten öffentlich ihre Geschichte erzählen, andere wollen eine Anerkennung für erfahrenes Unrecht, wieder andere gar keinen Kontakt mit uns - all das gilt es angemessen zu berücksichtigen“, sagte sie.

Kritik an der Datenlage nachvollziehbar

Die Kritik seitens der ForuM-Forscher an der Datenlage des quantitativen Studienteils und auch die Kritik an den Kirchen und der Diakonie seitens der Betroffenen könne sie durchaus verstehen, sagte Weingärtner. „Ob es jetzt allerdings den Betroffenen hilft, in jahrelanger Arbeit weitere Studien anhand von Personalakten zu erstellen, muss hinterfragt werden“, betonte die Präsidentin. Es brauche vielmehr einen „Bewusstseins- und Haltungswandel“. „Die Übergriffe sind für die Betroffenen furchtbar. Oftmals noch schlimmer war für viele aber, dass ihnen nicht geglaubt wurde.“

Richtig sei, dass in den quantitativen Teil der ForuM-Studie noch sehr viel weniger Daten aus der Diakonie als von den Kirchen eingeflossen sind - das sei aber von Anfang an auch nicht Ziel der Studie gewesen. „Das liegt auch an der unterschiedlichen Verfasstheit“, betonte sie. Denn bei der Diakonie gebe es nur wenige Kirchenbeamte - und nur für die gebe es Disziplinarakten, die für die Studie auch gesichtet wurden. Der qualitative Teil allerdings habe gerade für die Diakonischen Werke und Verbände „eine enorme Bedeutung. Gerade die Frage der Hierarchie und des Machtgefälles, besonders innerhalb geschlossener Systeme, ist in der Diakonie noch einmal eine ganz andere, die wir uns noch mal sehr genau anschauen werden.“

Gegen bayerische Alleingänge

Bayerische „Alleingänge“ im Bereich der Diakonie halte sie zum jetzigen Zeitpunkt für falsch. Es müsse auf Bundesebene geklärt werden, wie die Diakonie weiter vorgehen wird. „Und es braucht auch staatliche Vorgaben, die für Kirchen und Sozialverbände ebenso gelten wie für Vereine und andere Institutionen“, sagte sie.

Diese Vorgaben müssten klare Leitplanken für die Aufarbeitung, die finanziellen Anerkennungsleistungen und auch die Prävention beinhalten, damit eine Vergleichbarkeit gegeben ist. „Unabhängig davon sehe ich es als unsere Aufgabe an, in der Diakonie die Aufarbeitung schnell voranzubringen“, sagte sie.

Daniel Staffen-Quandt


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