Frankfurt a. M. (epd). Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sieht akuten Handlungsbedarf: „Viele Länder kommen ihrer Aufgabe, Pflegeeinrichtungen zu fördern, nur unzureichend nach. Am Ende geht das zulasten der Betroffenen, für die die Eigenanteile immer weiter steigen“, beklagte Präsidentin Gerd Hasselfeldt gegenüber den Evangelischen Pressedienst (epd). Denn die umgelegten Investitionskosten gingen in der Regel vollständig zulasten der Pflegebedürftigen. „Die Länder, die bei den Investitionskosten in der Pflicht stehen, müssen auch faktisch mehr Verantwortung übernehmen“, sagte die frühere CSU-Bundesministerin. Vom Bund erwarte sie derzeit keine Reform zur Entlastung der Pflegebedürftigen.
Edeltraut Hütte-Schmitz, Geschäftsführender Vorstand des Vereins „wir pflegen“ betont: „Sicherlich sinken die Eigenanteile, wenn die Investitionskosten von der öffentlichen Hand getragen würden.“ Allerdings sei ein finanzielles Engagement der Länder noch keine Garantie für niedrigere Eigenanteile. „In NRW werden die Investitionskosten von den Kreisen beziehungsweise kreisfreien Städten getragen, dennoch liegt das Land bei den Eigenanteilen im Ländervergleich im oberen Bereich“, betont die Expertin.
„Wir brauchen dringend ein nachhaltiges Finanzierungskonzept für die Pflegeversicherung, die sich zu einer Vollversicherung für alle pflegebedingten Kosten entwickeln muss“, sagt Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbandes VdK. „Ein monatlicher Eigenanteil im ersten Jahr von rund 2.500 Euro karikiert den Begriff Versicherung.“ Im Jahr 2023 gab es laut Wissenschaftlichem Institut der AOK (WIdO) bei den pflegebedingten Zuzahlungen der Heimbewohner im Vorjahr einen Anstieg von 19,2 Prozent.
Die Analyse für 2023 belegt, dass die Höhe der finanziellen Belastungen der Heimbewohner in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ist: Während die Gesamtzuzahlungen Ende 2023 im Saarland bei 2.640 Euro pro Monat lagen, waren es in Sachsen-Anhalt 1.800 Euro. Besonders groß ist die Spanne bei den Kosten für Unterkunft und Verpflegung: Während in Sachsen-Anhalt 720 Euro zu bezahlen sind, sind es in Nordrhein-Westfalen 1.156 Euro.
Die Bundesländer sind gesetzlich für die ausreichende Versorgungsstruktur für ältere Menschen verantwortlich, ganz gleich, ob es um stationäre oder ambulante Betreuung geht. Das regelt Paragraf 9 SGB XI. Deshalb gibt es flächendeckend landesrechtliche Vorschriften, die die finanzielle Förderung für die Altenhilfe regeln - in jedem Bundesland nach einem anderen Modus. Meist sind das jedoch nur Finanzierungszuschüsse. Deshalb müssen die Pflegeheimträger die nicht übernommenen Kosten für den Betrieb oder auch für Modernisierungen und Neubauten auf alle Bewohnerinnen und Bewohner umlegen - als Teil des Gesamtheimentgelts. Sollten Betroffene hier finanziell überfordert sein, springt das Sozialamt ein.
„In den Investitionskosten sind zum Beispiel auch die 'Mietkosten' der Gemeinschaftsräume und Gemeinschaftsflächen, der Küchen, Büros und Pflegebäder sowie deren Ausstattung enthalten“, erläutert der Pflegeschutzbund BIVA. „Die Aufwendungen dafür werden auf einen monatlichen Betrag umgerechnet und jedem Bewohner in Rechnung gestellt“, so der Bundesverband Vebraucherzentrale.
Doch diese Bestandteile alleine würden die hohen Zahlungen der Bewohner nicht erklären. Die Investitionskosten umfassen nämlich auch sämtliche Ausgaben, die für die Nutzung des Gebäudes und für den Betrieb eines Pflegeheims anfallen: Kosten für Gebäudemieten, Finanzierungskosten, Leasingaufwendungen, Abschreibungen und Instandhaltungskosten.
Aber: „Kosten, die durch eine öffentliche Förderung gedeckt sind, dürfen nicht auf die Bewohner umgelegt werden“, erklärt der Bundesverband Verbraucherschutz. So entsteht ein Automatismus: Je mehr die Länder von den Investitionskosten der Heime tragen, desto mehr sinkt der Eigenanteil der Bewohner.
Um einschätzen zu können, ob und wie sich die Länder finanziell engagieren, ist ein Blick auf die bestehende Förderung der Heime und ambulanten Dienste durch die Länder hilfreich. Wichtig zu wissen ist auch: Die Investitionskosten sind in jeder Pflegeeinrichtung unterschiedlich hoch. Sie hängen beispielsweise vom Alter und dem baulichen Zustand der Gebäude ab sowie von regional unterschiedlichen Grundstückspreisen und Baukosten.
Kürzlich wurde für das Jahr 2022 die Studie „Berichtspflicht der Länder zu Förderung und Investitionskosten von Pflegeeinrichtungen“ vom IGES Institut in Berlin veröffentlicht - ein Konvolut an Zahlen und Tabellen. Darin finden sich alle Maßnahmen zur Förderung der Pflegeeinrichtungen, unterschieden zwischen Objekt- und Subjektförderung, also nach finanziellen Hilfen für die Heimträger oder direkt für die Bewohner. Zusammengestellt wurden zudem die Fördersummen in den verschiedenen Versorgungsbereichen der Pflege, aufgelistet nach durchschnittlicher Förderung je Einrichtung sowie je Heimbewohner.
„Insgesamt über alle Versorgungsbereiche, Förderarten und Länder zusammengenommen betrug das Fördervolumen für investive Aufwendungen im Jahr 2022 rund 876 Millionen Euro“, heißt es in dem Bericht. Damit ist die Gesamtfördersumme im Vergleich zum Vorjahreswert um rund sieben Millionen Euro gesunken, während zeitgleich die Zahl der Pflegebedürftigen auf knapp fünf Millionen gestiegen ist.
Von der gesamten Fördersumme entfielen 2022 über alle Länder hinweg die größten Anteile mit rund 543 Millionen Euro auf die Subjektförderung (62 Prozent) und rund 260 Millionen Euro auf die reine Objektförderung (30 Prozent). Im Vergleich zu den drei Vorjahren sind die Investitionskosten der Einrichtungen in allen drei Versorgungsbereichen im Durchschnitt leicht angestiegen. In der vollstationären Dauerpflege haben sie im Schnitt aller Einrichtungen von 15,36 Euro pro Platz und Tag im Jahr 2021 auf 15,65 im Jahr 2022 (plus 1,9 Prozent) zugenommen. Damit fiel der Anstieg etwas stärker aus als im Vorjahr (plus 1,3 Prozent).
Bemerkenswert ist die Spreizung der durchschnittlichen Investitionskosten in der vollstationären Dauerpflege. Sie bewegten sich zwischen 10,31 Euro pro Heimplatz und Tag in Sachsen-Anhalt und 18,91 Euro in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus zeigen sich merkliche Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen. In der vollstationären Dauerpflege betrug der Unterschied zwischen den teureren Ballungsräumen und den ländlichen Gebieten im Durchschnitt 23 Prozent.
Was wird die Zukunft mit Blick auf mögliche weitere Steigerungen bei den Eigenanteilen Pflegebedürftiger bringen? Auch dazu enthält der Bericht aufschlussreiche Aussagen, sofern die Länder sich in den standardisierten Interviewbögen dazu überhaupt äußerten oder Prognosen abgaben. Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen erwarten in den kommenden Jahren eine weitere Erhöhung der von den Pflegebedürftigen selbst zu tragenden Kosten.
Dazu heißt es beispielsweise aus Rheinland-Pfalz, dass die Verteuerung der Heimplätze schon wegen „betriebsnotwendigen Investitionskosten durch verstärkte Klimaanpassungs- und/oder Klimaschutzmaßnahmen seitens der Pflegeeinrichtungen erwartet wird“. Und: Derzeit plane „das Land nicht, die gestiegenen Kosten für die pflegebedürftigen Personen mit einer erhöhten Investitionskostenförderung aufzufangen“. Fast wortgleich äußerten sich Thüringen, das Saarland und Niedersachsen - schlechte Nachrichten für viele Pflegebedürftige in den Heimen.