Celle (epd). Asylbewerber ohne deutsche Sprachkenntnisse müssen bei einem erforderlichen ärztlichen Aufklärungsgespräch selbst erst einmal einen behördlichen Antrag auf Kostenübernahme für einen Dolmetscher stellen. Krankenhaus und Arzt können das jedoch nicht einfordern. Denn „der Erbringer einer medizinischen Behandlung hat grundsätzlich keinen eigenen Anspruch gegen den Leistungsträger (...) auf Übernahme der mit der Behandlung einhergehenden Kosten“, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am 16. Januar veröffentlichten Urteil.
Eine ärztliche Behandlung oder ein Aufklärungsgespräch ohne ausreichende Deutschkenntnisse des Patienten ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Kliniken und Arztpraxen greifen daher mitunter auf eigene medizinische Fachkräfte zurück, die die Sprache des ausländischen Patienten sprechen. Mitunter vertrauen Patienten auch auf die Übersetzungsdienste von Angehörigen. Doch untergräbt das die Vertraulichkeit des Arzt-Patientengesprächs.
Im vom LSG entschiedenen Fall ging es um ein fünfjähriges Mädchen aus Mazedonien, das unter anderem wegen einer Magnetresonanztomografie des Gehirns in eine Klinik aufgenommen wurde. Die nicht deutsch sprechenden Eltern waren Asylbewerber und erhielten ebenso wie das Kind Asylbewerberleistungen.
Um die Eltern über die Behandlung ihres Kindes ärztlich aufklären zu können, nahm die Klinik die Hilfe eines Dolmetschers in Anspruch. Die Kosten des Übersetzungsbüros in Höhe von 523 Euro machte das Krankenhaus anschließend beim Sozialhilfeträger geltend.
Das Krankenhaus führte zur Begründung an, dass nach dem Asylbewerberleistungsgesetz der Sozialhilfeträger für die Behandlung „akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“ sowie für medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen aufkommen müsse. Eine Kostenerstattung im Rahmen der ärztlichen Behandlung komme auch als „sonstige Leistung“ infrage. Das betrifft dann Ausländer wie Kinder mit besonderen Bedürfnissen, unbegleitete Minderjährige oder Menschen, die Folter oder andere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.
Der Sozialhilfeträger lehnte die Kostenübernahme jedoch ab. Es handele sich nicht um Kosten einer stationären Behandlung. Und: Die Übernahme der Dolmetscherkosten hätte zusätzlich von den betroffenen Eltern beantragt werden müssen. Das Krankenhaus sei auch nicht als „Nothelfer“ tätig geworden. Dafür fehle es an einem Eilfall, hieß es.
Die dagegen eingelegte Klage des Krankenhausträgers hatte vor dem LSG indes keinen Erfolg. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht bereits 1996 zum damaligen Sozialhilferecht entschieden, dass zur erforderlichen Krankenbehandlung auch die Übernahme von Dolmetscherkosten gehören könne, „wenn der Anspruch auf Krankenhilfe ohne sprachliche Hilfestellung nicht erfüllt werden kann“.
Ein Kostenerstattungsanspruch scheide hier dennoch aus, urteilte das LSG. Denn der Erbringer einer medizinischen Behandlung habe grundsätzlich keinen eigenen Anspruch auf Übernahme der mit der Behandlung einhergehenden Kosten. Die Übernahme der Dolmetscherkosten hätte allenfalls von den Eltern geltend gemacht werden können und nicht vom Krankenhausträger.
Die Frage, ob fremdsprachigen Patienten Übersetzungskosten für die ärztliche Beratung auch nach dem aktuellen Asylbewerberleistungsgesetz überhaupt erstattet werden, sei höchstrichterlich allerdings noch nicht geklärt. Das könne hier aber offenbleiben, weil nicht die Eltern, sondern das Krankenhaus die Kostenerstattung verlangt habe.
Schließlich habe es auch an einer wirksamen Kostenübernahmeerklärung des Sozialhilfeträgers gefehlt. Vor diesem Hintergrund könne auch nicht darüber entschieden werden, ob die Dolmetscherkosten bereits mit den vom Krankenhausträger geltend gemachten Fallpauschalen abgegolten seien, so das Gericht.
Bereits am 23. Januar 2018 hatte das LSG Celle zudem geurteilt, dass auch die gesetzliche Krankenkasse Dolmetscherdienste beim niedergelassenen Arzt nicht erstatten muss. Nach dem Gesetz könnten nur ärztliche Behandlungen abgerechnet werden, die der Arzt selbst ausführe. Tätigkeiten von Hilfspersonen seien nur dann abrechenbar, wenn sie unmittelbar zur ärztlichen Behandlung zählten und vom Arzt überwacht und angeleitet würden.
Dolmetscherleistungen lägen jedoch nicht in ärztlicher Kontrolle oder Verantwortung. Keine Rolle spiele es, dass im vorliegenden Fall der Arzt die Übersetzung befürwortet hat. Der Gesetzgeber habe die Kostenübernahme für „nicht medizinische Nebenleistungen“ bewusst nur auf wenige Fälle beschränkt, etwa für die eines Gebärdendolmetschers.
Az.: L 8 AY 24/21