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Streit über Kindergelderhöhung dauert an




Auch viele Alleinerziehende würden von einem höheren Kindergeld profitieren.
epd-bild/Heike Lyding
Finanzminister Lindner (FDP) will den Steuerfreibetrag für Kinder anheben, ohne gleichzeitig das Kindergeld zu erhöhen. Aus Sicht der SPD wäre das ungerecht. Kritik kommt von allen großen Sozialverbänden - und die Forderung nach einer wirksamen Kindergrundsicherung wird wieder lauter.

Berlin (epd). In der Bundesregierung wird weiter um eine mögliche Erhöhung des Kindergelds gerungen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am 22. Januar in Berlin, aktuell werde geprüft, ob durch die aktuelle Lohnentwicklung eine Anpassung des Kinderfreibetrags nötig sei. „Sollte das nötig sein, muss miteinander gesprochen werden, ob neben dem Freibetrag auch eine Anpassung des Kindergeldes nötig und möglich ist“, sagte er. Dabei verwies er auch auf den Haushalt für das aktuelle Jahr, der in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden soll.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will für dieses Jahr den Kinderfreibetrag von 6.024 auf 6.612 Euro anheben, bislang aber nicht auch das Kindergeld. In der Ampel-Koalition regt sich dagegen Widerstand, weil vom Freibetrag, der auf die Einkommenssteuer angerechnet wird, nur Eltern mit höheren Einkommen profitieren. SPD-Chef Lars Klingbeil bezeichnete die Pläne als „ungerecht“. Das Kindergeld wurde zuletzt zum Januar 2023 von 219 auf 250 Euro angehoben. Der Freibetrag stieg damals von 5.620 auf 6.024 Euro.

SPD auf Distanz zu Lindners Plänen

Die SPD ging klar auf Distanz zum Koalitionspartner FDP. Der Vizefraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sönke Rix, sagte am 22. Januar in Berlin, Lindners Vorschlag sei „nicht nur gesellschaftlich ungerecht, sondern steht auch im Gegensatz zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag“. Der überwältigende Teil der Eltern erhalte lediglich das Kindergeld als Unterstützung, während nur Familien mit vergleichsweise hohen Einkommen überhaupt vom Kinderfreibetrag profitierten. „Diese Lücke wollen wir schließen und nicht weiter vergrößern.“

Grundsätzlich begrüße die SPD finanzielle Entlastungen für Familien, „aber eine Erhöhung des Kinderfreibetrages für wenige - ohne gleichzeitige Erhöhung des Kindergeldes für die Breite der Gesellschaft - lehnen wir entschieden ab“. Entsprechende Vorschläge des Bundesfinanzministers, wie beides gelingen kann, werde man sehr konstruktiv im Bundestag begleiten, so Rix.

Diakonie: Verzicht auf Kindergelderhöhung ungerecht

Die Diakonie forderte, bei einer Erhöhung des Kinderfreibetrages müsse auch das Kindergeld steigen. „Alles andere wäre ungerecht“, erklärte Vorständin Maria Loheide in Berlin. Aktuell beträgt ihren Angaben nach die maximale Entlastung für Gut- und Spitzenverdiener aufgrund der Freibeträge circa 368 Euro monatlich. Das Kindergeld beträgt 250 Euro monatlich. Die aktuelle Diskussion mache die Notwendigkeit einer Kindergrundsicherung, in der alle Leistungen zusammengeführt sind, deutlich.

„Es war richtig, das Bürgergeld zur Jahreswende zu erhöhen. Wenn nachfolgend nun auch die Kinderfreibeträge entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Steuerrecht angehoben werden, wäre es fahrlässig, sich nicht auch um die Berufstätigen und ihre Kinder zu kümmern, die am unteren Ende der Einkommensskala von der Steuermechanik nicht profitieren“, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Caritas setze sich seit langem dafür ein, „das Kindergeld schrittweise so anzuheben, dass es perspektivisch dem maximalen Steuerentlastungsbetrag entspricht. Aktuelle Berechnungen gehen davon aus, dass er inzwischen über 350 Euro liegen müsste.“

„Statt sich in Diskussionen über die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen zu verstricken, sollte die Politik endlich handeln und mit der Kindergrundsicherung schnellstmöglich ein einheitliches System der Familienförderung schaffen, in dem Familien mit den geringsten Einkommen am meisten und wohlhabende Familien am wenigsten staatliche Unterstützung für ihre Kinder erhalten“, sagte Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt, dem epd. Die bisherigen Pläne für die Kindergrundsicherung machten bisher leider wenig Hoffnung auf Besserung.

„Schlag ins Gesicht“ ärmerer Familien

Groß weiter: „Klar ist aber auch: Eine Erhöhung der Kinderfreibeträge mit einer Nullrunde beim Kindergeld ist ein Schlag ins Gesicht der Familien mit geringen und mittleren Einkommen, die gerade so über die Runden kommen.“ Bereits im vergangenen Jahr hätten die wohlhabendsten Familien zusätzlich zum Kindergeld einen Bonus von bis zu rund 100 Euro im Monat über die Kinderfreibeträge erhalten. „Die jetzt geplante Anpassung würde die Differenz noch einmal um 25 Euro wachsen lassen.“

Auch der Kinderschutzbund kritisierte Lindners Pläne. Damit würden Kinder, die nur das Kindergeld beziehen, um bis zu 118 Euro weniger an staatlichem Zuschuss pro Monat erhalten. Bis zur Volljährigkeit der Kinder summiere sich der Unterschied auf über 25.000 Euro. Bundesgeschäftsführer Daniel Grein sagte, es sei „eine Frechheit, wie das aktuelle System klammheimlich über die Kinderfreibeträge die Kinder von Spitzenverdienern massiv begünstigt“. Er wiederholte die Forderung, eine echte Kindergrundsicherung zu schaffen, „die insbesondere arme Kinder und die untere Mitte entlastet sowie die unfairen Steuerentlastungen für Superreiche abschafft“.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband nannte Lindners Vorhaben eine „schreiende Ungerechtigkeit“. „Mit seinen Plänen zum Kinderfreibetrag zementiert der Finanzminister die Ungleichbehandlung von Spitzenverdienern und Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen”, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Das Kindergeld sollte nach Auffassung des Verbandes schrittweise so weit angehoben werden, dass es mit der Entlastung der Spitzenverdiener gleichzieht. In einem ersten Schritt fordert der Verband eine Erhöhung des Kindergelds auf 300 Euro. Schneider: “Alle Kinder müssen dem Staat gleich viel wert sein."

Dirk Baas, Corinna Buschow


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