Stuttgart (epd). Krankenhäuser müssen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren ausreichendes Pflegepersonal bereithalten. Die dazu vom Bundesgesundheitsministerium erlassene Verordnung über die pauschalierte Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in „pflegesensitiven Bereichen“ in Krankenhäusern sei jedoch gesetzwidrig, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem am 12. Januar veröffentlichten Urteil. Das Sozialgesetzbuch V verlange „zwingend“, dass die Personaluntergrenzen für jeden pflegesensitiven Bereich eines Krankenhauses nach dem jeweiligen Pflegeaufwand festgelegt werden, erklärten die Stuttgarter Richter.
Der Gesetzgeber hatte die Krankenhäuser zunächst verpflichtet, Pflegepersonaluntergrenzen in „pflegesensitiven Bereichen“ festzulegen. Damit sollte verhindert werden, dass zu wenige Pflegekräfte zu viele besonders pflegebedürftige Patienten versorgen. Eine gesundheitliche Gefährdung der Patienten und krankheitsbedingte Ausfälle von Pflegekräften aufgrund zu hoher Arbeitsbelastung sollten so vermieden werden. Krankenhäuser und Krankenkassen konnten sich jedoch nicht auf entsprechende Pflegepersonaluntergrenzen einigen.
Daraufhin regelte das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung die „pflegesensitiven Bereiche“ und die dort einzuhaltende Mindestzahl an Pflegekräften, differenziert nach Tag- und Nachtschichten. Als pflegesensitive Bereiche werden darin beispielsweise die Intensivmedizin, die Pädiatrie, die Geriatrie und die Neurologie bestimmt. Gehen mindestens 40 Prozent der Behandlungsfälle in einer Fachabteilung auf festgelegte pflegeintensive Erkrankungen zurück, wie beispielsweise ein Schlaganfall in der Neurologie, liegt ebenfalls ein pflegesensitiver Bereich vor. So ist in der Neurologie eine Pflegepersonaluntergrenze von einer Pflegekraft auf zehn Patienten in der Tagschicht und von 20 Patienten in der Nachtschicht vorgesehen.
Die Datenerhebung und Festlegung der pflegesensitiven Bereiche in einem Krankenhaus erfolgt durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). Hält ein Krankenhaus die Pflegepersonaluntergrenzen nicht ein, drohen von der InEK Sanktionen etwa in Form eines Vergütungsabschlags für erbrachte Leistungen.
Im Streitfall hatte die Trägerin eines 70-Betten-Plankrankenhauses mit Chirurgie und Neurologie aus dem Raum Karlsruhe geklagt. Das InEK hatte 2021 dessen Neurologie als pflegesensitiven Bereich eingestuft und das Krankenhaus zur Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen aufgefordert. Der konkrete Pflegeaufwand wurde dabei nicht berücksichtigt.
Die Klinik hielt dies für rechtswidrig und klagte. Sie verfüge zwar über eine neurologische Fachabteilung. Dort würden aber nicht die typischen Krankheitsbilder der Neurologie wie Schlaganfall oder Epilepsie behandelt. Pflegeintensive Komplexbehandlungen würden überhaupt nicht durchgeführt. Vielmehr stehe die Behandlung von nicht pflegeintensiven Kopfschmerz- und anderen Schmerzpatienten im Vordergrund. Diese Besonderheiten führten zu einem viel geringeren Personaleinsatz. Auch die Quote von 40 Prozent der typischen pflegeintensiven Erkrankungen werde bei weitem nicht erreicht. Diese liege vielmehr zwischen 17,4 und 22,5 Prozent.
Das InEK wies darauf hin, dass nach der Verordnung allein das Vorhandensein einer Neurologie pauschal die Einstufung als pflegesensitiver Bereich begründen könne. Das LSG gab dem Krankenhausträger recht. Die Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums verstoße gegen höherrangiges Recht, hier gegen Paragraf 137i Sozialgesetzbuch V. Die Festlegung pflegesensitiver Bereiche und die damit verbundenen Pflegepersonaluntergrenzen seien aber grundsätzlich zur Sicherung des Patientenschutzes und der Versorgungsqualität gerechtfertigt. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit stehe dem nicht entgegen.
Die pauschale Festlegung eines pflegesensitiven Bereiches allein aufgrund des Vorhandenseins einer Neurologie sei jedoch nicht mit dem Gesetz vereinbar. Denn dieses sehe „zwingend vor, dass für jeden pflegesensitiven Bereich im Krankenhaus“ der jeweilige Pflegeaufwand ermittelt werden müsse. Dies sei hier nicht geschehen.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zugelassen.
Az.: L 5 KR 3223/22