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Bündnis: "Staatliches Missmanagement" bei Wohnungsförderung




Baustelle eines Gebäudes mit Wohnungen und Geschäften in Offenbach (Archivbild)
epd-bild/Norbert Neetz
Das Bündnis "Soziales Wohnen" hat ausrechnen lassen, was es den Staat kostet, überhöhte Mieten für einkommensschwache Haushalte zu übernehmen. Mehr Sozialwohnungen wären besser, sagen die Verbände. Bauministerin Geywitz zweifelt die Zahlen an.

Berlin (epd). Das Bündnis „Soziales Wohnen“ wirft Bund und Ländern „Missmanagement“ bei den staatlichen Unterstützungen für das Wohnen vor. Es stellte am 16. Januar in Berlin eine Studie des Pestel-Instituts vor, wonach aus den Staatskassen im vorigen Jahr allein 700 Millionen Euro an überhöhten Mieten gezahlt wurden. Insgesamt haben die staatlichen Wohnhilfen erstmals mehr als 20 Milliarden Euro betragen. In dem Bündnis haben sich die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), der Deutsche Mieterbund, sowie Fachverbände der Caritas und der Bauindustrie zusammengetan.

Der Hauptgrund für die weiter steigenden Staatsausgaben ist dem Bündnis zufolge die jahrzehntelange Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus. Deshalb fehlen laut der Studie rund 910.000 Sozialwohnungen. Bundesweit gebe es noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen, sagte Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut. Vor 15 Jahren waren es mit rund zwei Millionen fast doppelt so viele. Mindestens diese Zahl müsse wieder erreicht werden.

In Baden-Württemberg fehlen die meisten Sozialwohnungen

Am größten ist der Mangel an Sozialwohnungen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Niedersachsen, wie aus der Studie hervorgeht. Danach fehlen in Baden-Württemberg rund 206.000 Sozialwohnungen, in Bayern 195.000, in Berlin 131.000 und in Niedersachsen 109.000 Sozialwohnungen. Hamburg und Nordrhein-Westfalen hingegen stehen beim Sozialwohnungsbestand mit rund 4.400 sowie 4.500 fehlenden Wohnungen relativ gut da.

Bundesbauministerin Clara Geywitz (SPD) wies die Darstellung des Bündnisses „Soziales Wohnen“ über fehlende Sozialwohnungen in Deutschland zurück. Sie sagte dem Sender „tagesschau24“ die Studie, auf die sich die Verbände stützten, halte sie „für hochgradig unseriös. Das sind Zahlen, die die Kollegen sich ausgedacht haben“, sagte die SPD-Politikerin. Deshalb komme es auch zu „relativ absurden Ergebnissen“, beispielsweise, dass in Nordrhein-Westfalen angeblich weniger Sozialwohnungen fehlten als in Sachsen.

Bauministerin räumt Mangel ein

Zugleich erklärte die Ministerin aber, tatsächlich fehlten überall Sozialwohnungen, möglicherweise sogar mehr als eine knappe Million. „Wir haben einfach die letzten zwei Jahrzehnte viel zu wenig Geld in Sozialwohnungen investiert. Das rächt sich jetzt“, sagte Geywitz. Man sei bei einem Bestand von lediglich noch einer Million Sozialwohnungen gelandet, weil die Wohnungen nur 20 bis 25 Jahre in der Sozialbindung sind „und dann ganz normale Wohnungen werden“, erklärte Geywitz.

Laut Matthias Günter, Studienleiter bei Pestel, führt der „dramatische Mangel an sozialem Wohnraum“ dazu, dass die staatliche Unterstützung für das Wohnen „völlig aus dem Ruder läuft“. Die von den Behörden übernommenen Mieten lägen fast durchweg mindestens fünf Prozent über den ermittelten örtlichen Durchschnittsmieten. Man müsse sich fragen, „ob wir am Ende nicht die Vermieter fördern“, sagte Günther.

Besonders drastische Zahlen liefert die Stadt München. Hier lag die von den Jobcentern gezahlte Miete bei den Kosten der Unterkunft mit 19,20 Euro pro Quadratmeter rund 6,40 Euro - und damit 50 Prozent - über der Münchner Durchschnittsmiete von 12,80 Euro. Günther sagte, im Osten Deutschlands lägen die staatlich übernommenen Mieten in der Regel unter den Durchschnittsmieten. Das gelte allerdings nicht mehr für Städte wie Leipzig, Dresden, Erfurt oder auch Rostock. Die höchsten Mietpreise würden von den Behörden aber im Westen und Südwesten gezahlt.

„Mieten sind durch die Decke gegangen“

Zu den staatlichen Hilfen zählen das Wohngeld für Geringverdiener und die Kosten der Unterkunft für Bürgergeld-Bezieherinnen und -Bezieher. Der Bundesvorsitzende der DGB-Gewerkschaft IG BAU, Robert Feiger, sagte, wo günstige Wohnungen fehlten, „muss der Staat die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt akzeptieren“. Diese seien in den vergangenen Jahren „bekanntlich durch die Decke gegangen“, kritisierte er. Rund 15 Milliarden Euro hätten die Behörden für die Kosten der Unterkunft bezahlt, fünf Milliarden Euro seien in das Wohngeld geflossen. Damit habe der Staat für die Wohnhilfen fünfmal so viel ausgegeben wie für die Förderung des Sozialwohnungsbaus mit vier Milliarden Euro, kritisierte Feiger.

Die Verbände erneuerten ihre Forderung nach einer Kehrtwende beim Wohnungsbau und einem Sonderbudget von 50 Milliarden Euro für den Bau von Sozialwohnungen. Dies müsse ebenso wie das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr ermöglicht werden, forderte Feiger: „Mit der Schuldenbremse baut man keine Sozialwohnungen.“ Das Bündnis verlangt außerdem, die Mehrwertsteuer für den Neubau von Wohnungen auf sieben Prozent zu senken. Zudem müsse im sozialen Wohnungsbau eine zwingende Co-Finanzierung der Bundesländer festgeschrieben werden.

Die Ampel-Koalition wollte pro Jahr 400.000 neue Wohnungen errichten lassen, davon 100.000 Sozialwohnungen. 2023 wurden dem Bündnis „Soziales Wohnen“ zufolge aber nur rund 30.000 Sozialwohnungen fertiggestellt, in den Vorjahren rund 25.000. Von 2022 bis 2026 stellt der Staat 14,5 Milliarden Euro für den Sozialwohnungsbau bereit.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas