Bad Windsheim (epd). Martin Rienecker beugt sich konzentriert über die Theke, während er zwei Teller des Mittagsmenüs anrichtet. Das heutige Gericht: Rosmarinkartoffeln mit Blaukraut und veganer Bratwurst. „Mir ist wichtig, auf Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker zu verzichten. Ich koche immer frisch“, erklärt der Bistro-Besitzer.
„Meine Tochter und ich sind Stammgäste hier“, sagt Doris Schmieg, während sie die beiden Teller nimmt und an den Tisch trägt, an dem ihre Tochter Karina sitzt. Seit zwei Jahren ernähren sich die beiden vegan. Mutter und Tochter sind begeistert von dem abwechslungsreichen Essen. „Es ist immer wieder köstlich“, sagt die 62-Jährige.
Die beiden wohnen in Rothenburg ob der Tauber und kommen öfter hier her. „Viele vegane Angebote gibt es in Franken leider nicht“, sagt Karina Schmieg. Besonders gut findet die 24-Jährige, dass die Speisen aus genießbaren Lebensmitteln hergestellt werden, die vor der Entsorgung gerettet wurden.
Vor über zwei Jahren, im September 2021, haben Martin Rienecker und seine Ehefrau Marion Brueggen das Restaurant Good im Zentrum der mittelfränkischen Stadt Bad Windsheim gegründet. Das Essen ist günstig. Nur vier Euro kostet das Mittagsmenü. Außerdem besteht das Angebot, freiwillig den doppelten Preis zu zahlen, um auf diese Weise ein Essen für einen Bedürftigen zu spenden. Der Name des sozialen Projekts: Volxküche.
Die Idee hat das Ehepaar gemeinsam entwickelt. „Wir haben einfach zwei Probleme zusammengefügt: zum einen den sozialen Aspekt, dass viele Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, und zum zweiten die Lebensmittelverschwendung“, sagt der 43-Jährige.
Woher die Ideen für die Gerichte kommen? „Ich schaue, was ich habe und was ich daraus machen kann.“ Er sagt: „Kochen war schon immer meine Leidenschaft.“ Zwischen 60 und 70 Gäste hat das Bistro täglich. „Mehr ist kaum machbar.“ Auch von den Lebensmittelspenden sei es abhängig, wie viele Gerichte er kochen könne. Etwa neun bis zwölf Essen am Tag seien umsonst.
Die Lebensmittelspenden kommen von Privatpersonen, die einen eigenen Garten haben und nicht alles verwenden können. Auch der nebenan liegende Fruchthof sei ein großer Spender, ebenso wie der Bauernhof Bio-Hilfe. „Da gibt es viele Lebensmittel, die es nicht in den Laden schaffen würden. Weil sie einen Hagelschaden haben, krumm, zu klein oder zu groß sind“, erklärt Rienecker.
Während er spricht, betreten zwei Schüler den Kiosk. „Am meisten ist hier los, wenn alle Mittagspause haben“, sagt der Bistrobesitzer. Die Energiekosten haben auch ihn getroffen. Vor rund einem Jahr musste er die Preise um 50 Cent pro Essen erhöhen. „Wird die Mehrwertsteuer im Januar angehoben, müssen wir weiter auf 4,50 Euro hoch.“
Seit Beginn des Projekts wurden mehr als 17 Tonnen Lebensmittel gerettet. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft werden in Deutschland jährlich rund elf Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle entsorgt. Ein Großteil davon wäre häufig noch genießbar.
Gleichzeitig haben die Tafeln immer mehr Zulauf. Im vergangenen Jahr verzeichneten die Tafeln einen Zuwachs von 50 Prozent. Das liegt unter anderem an den gestiegenen Lebensmittelpreisen. Laut Statistischen Bundesamt sind die Nahrungsmittelpreise zwischen Juli 2021 und Juli 2023 um über 27 Prozent gestiegen.
Auch die Zahl der Menschen, die am Existenzminimum leben, steigt. Laut Armutsbericht des Paritätischen aus dem vergangenen Jahr sind über 14 Millionen Menschen in Deutschland arm. Das sind 840.000 mehr als vor der Corona-Pandemie.
Ein Mann im Rollstuhl kommt in den Laden. „Ich bin jeden Tag hier. Ich habe mir die Dauerkarte für 60 Euro geholt“, sagt der Bad Windsheimer. Dadurch kostet ein Gericht nur drei Euro. „Einmal Hunger“, ruft er Rienecker zu und ergänzt lachend: „Aber eine größere Portion bitte.“
„Eine Dame hat mir den Laden hier empfohlen. Seitdem komme ich jeden Tag her“, sagt der 53-Jährige, der seit 2004 krankheitsbedingt in Frührente ist. Seit fünf Wochen geht er zur Dialyse aufgrund eines Nierenschadens. Durch die vegane, gesunde Ernährung seien seine Blutwerte so gut wie lange nicht. „Es schmeckt nicht nur, sondern ist auch gut für meine Gesundheit.“