Brüssel (epd). Die Europäische Union (EU) will das Asylsystem grundlegend reformieren. Am 20. Dezember erreichten EU-Staaten, Parlament und Kommission eine politische Einigung. Ein Überblick über Ziele, Vorhaben und Zeitplan:
Die EU streitet seit Jahren über die Ausgestaltung der gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik, besonders über die Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) soll diesen Streit beenden, Migration in die EU begrenzen und steuern.
Für die Reform legte die aktuelle EU-Kommission unter Ursula von der Leyen 2020 ein umfassendes Gesetzespaket vor, den „Neuen Pakt für Migration und Asyl“. Viele der darin enthaltenen Vorschläge liegen aber bereits seit der Migrationskrise 2015/2016 auf dem Tisch, nur konnte sich die EU bisher nicht darauf einigen.
Das Reformpaket besteht vor allem aus fünf Verordnungen. Sie regeln alle Etappen im Umgang mit Geflüchteten und Migranten: Erfassung, Erstaufnahme, Asylverfahren, Abschiebungen und den Umgang mit Drittstaaten. Grundsätzlich werden die Regeln für Asyl und Migration restriktiver.
EU-Verordnungen müssen nicht mehr in nationales Recht umgewandelt werden, sondern sie gelten unmittelbar in allen EU-Staaten. Verabschiedet die EU also die Asylreform, ersetzen die EU-Verordnungen die deutschen Gesetze zu Asyl und Migration.
Jeder Schutzsuchende muss zunächst ein Screening durchlaufen: Die Identität wird festgestellt, biometrische Daten gespeichert und Sicherheitsprüfungen werden durchgeführt. Dafür müssen die Menschen zunächst in Zentren an der Grenze festgehalten werden. Kritiker befürchten daher systematische Haft an den Außengrenzen. EU-Staaten können das Screening nicht nur an der Grenze durchführen, sondern auch innerhalb ihres Hoheitsgebiets.
Nach dem Screening werden die Menschen entweder in das Asylverfahren weitergeleitet oder in die sogenannten Grenzverfahren. Letztere sind ein zentrales Element der Reform. Asylbewerber mit geringer Bleibechance sollen damit schneller und direkt von der EU-Außengrenze abgeschoben werden. Betroffen sind Menschen, die eine Staatsangehörigkeit haben, deren Anerkennungsquote für Asyl bei unter 20 Prozent liegt. Mit den Schnellverfahren an der Außengrenze geht eine erneute Inhaftierung einer. Deutschland wollte, dass Kinder von den Grenzverfahren ausgenommen werden, setzte sich mit dieser Forderung aber nicht durch. Während der Verfahren gelten die Menschen juristisch als nicht eingereist („Fiktion der Nicht-Einreise“). Das bedeutet, sie haben nicht dieselben Rechte wie Asylbewerber.
Die sogenannte Krisenverordnung ist ein weiterer Baustein des Reformpakets. Sie sieht Sonderregeln für EU-Staaten vor, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. Zum Beispiel können sie Schutzsuchende dann noch länger an der Außengrenze festhalten. Deutschland hatte auch diese Regelung zunächst wegen humanitärer Bedenken abgelehnt. Kritiker fürchten, die Ausnahmeregeln könnten eine Art Blankoscheck für die Aussetzung der Rechte von Schutzsuchenden sein sowie ein Freibrief für Zurückweisungen an der Grenze, sogenannte Pushbacks.
Innerhalb Deutschlands richtet sich die Aufnahmequote für ein Bundesland nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Auf europäischer Ebene fehlt ein solches Instrument. Daran ändert auch die aktuelle EU-Asylreform nichts. Gemäß den neuen Regeln ist grundsätzlich weiterhin das EU-Land für einen Asylbewerber zuständig, in dem dieser zuerst europäischen Boden betreten hat. Zusätzlich ist ein EU-Solidaritätsmechanismus geplant. Dieser soll insbesondere die EU-Staaten an der Außengrenze entlasten und Schutzsuchende innerhalb der EU umverteilen. Länder, die keine Personen aufnehmen wollen, sollen aber auch Ausgleichszahlung leisten können.
Ziel ist es, die EU-Asylreform vor der Europawahl 2024 zu verabschieden. Nach der politischen Einigung zwischen EU-Staaten, EU-Kommission und EU-Parlament müssen die Gesetzestexte noch im Detail ausgearbeitet werden. Anschließend bestätigen EU-Staaten und Parlament die Einigung. Das gilt normalerweise als Formalität.