sozial-Recht

Oberlandesgericht

Freie Fahrt für Rettungswagen nur bei freier Sicht



Frankfurt a.M. (epd). Ein Rettungswagen darf sich auch bei einem Einsatz mit Blaulicht und Martinshorn auf einer Ampelkreuzung nicht auf sein Vorfahrtsrecht verlassen. Der Fahrer muss sich beim Überqueren einer Kreuzung bei Rot immer vergewissern, das andere, bei Grün fahrende Verkehrsteilnehmer ihn tatsächlich wahrgenommen haben, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am 4. Dezember veröffentlichten Urteil. Komme es wegen der Unachtsamkeit eines bei Grün fahrenden Autos zu einem Zusammenstoß, könne eine hälftige Haftungsverteilung gerechtfertigt sein, so das Gericht.

Im Streitfall ging es um einen Unfall zwischen einem Notarzteinsatzfahrzeug und einem Pkw in Wetzlar. Der Fahrer des Pkws der klagenden Halterin stand dabei an einer Kreuzung. Als die Ampel Grün zeigte und das Auto vor ihr nicht anfuhr, wechselte der Fahrer des Pkws der Klägerin die Spur und fuhr in die Kreuzung hinein. Was er nicht beachtete: Ein Notarzteinsatzfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn fuhr bei Rot in die Kreuzung hinein. Bei dem Zusammstoß der Autos entstand ein Sachschaden.

Pkw-Halterin wollte nur 25 Prozent des Schadens tragen

Die Halterin des Pkw meinte, die Versicherung des Rettungswagens müsse 75 Prozent des Schadens übernehmen. Wie schon das Landgericht zuvor urteilte nun auch das OLG auf Haftung zu gleichen Teilen.

Zwar seien Rettungsfahrzeuge von den Verkehrsregeln weitgehend befreit. „Dennoch kommt den Erfordernissen der Verkehrssicherheit stets Vorrang gegenüber den Interessen des Einsatzfahrzeugs am raschen Vorwärtskommen zu“, erklärte das Gericht. Vor dem Überfahren einer roten Ampel müsse sich der Fahrer daher überzeugen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen haben. Hier habe der Fahrer des Notarzteinsatzwagens seine Sorgfaltspflicht verletzt.

Doch auch dem Autofahrer sei ein „erheblicher Verkehrsverstoß“ anzulasten. Denn er habe nicht auf die Sondersignale des Einsatzfahrzeugs geachtet, urteilten die Frankfurter Richter. Zudem habe er hier sogar noch extra die Spur gewechselt, um an einem trotz des Umschaltens der Ampel auf Grün stehengebliebenen Auto vorbeizufahren. Ein „umsichtiger Fahrer“ wäre hier wohl auf die Idee gekommen, dass „zumindest eine unklare Verkehrslage“ bestehen könnte.

Az.: 17 U 121/23