sozial-Recht

Landessozialgericht

Nachträgliches Einkommen wird beim Kinderzuschlag nicht berücksichtigt




Kinderschuhe im Treppenhaus (Themenfoto)
epd-bild/Heike Lyding
Der Kinderzuschlag soll Familien mit geringem Einkommen vor dem Abrutschen in den Bürgergeld-Bezug schützen. Bei der Ermittlung des erforderlichen Mindesteinkommens zählen nach einem Urteil nur die im jeweiligen Monat zugeflossenen Einkünfte.

Essen, Kassel (epd). Finanzschwache Familien können den staatlichen Kinderzuschlag nur für Monate mit tatsächlich erhaltenem Einkommen beanspruchen. Ist eine Familie wegen eines zunächst nicht gewährten Krankengeldes auf Bürgergeld vom Jobcenter angewiesen, kann sie bei einer späteren Krankengeldnachzahlung nicht rückwirkend den vorenthaltenen Kinderzuschlag einfordern, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am 29. November veröffentlichten Urteil. Denn für den Anspruch auf den Kinderzuschlag komme es darauf an, wann das „Einkommen“, hier das Krankengeld, zugeflossen ist, erklärten die Essener Richter.

Erwerbseinkommen von mindestens 900 Euro

Der Gesetzgeber hat den Kinderzuschlag vorgesehen, damit Eltern mit kleinem Einkommen nicht in den Hartz-IV-Bezug, das heutige Bürgergeld, abrutschen. Voraussetzung ist damit eine Erwerbsfähigkeit und ein Erwerbseinkommen von mindestens 900 Euro (Paare) beziehungsweise 600 Euro (Alleinerziehende). Zum Einkommen zählt dabei nicht nur ein Verdienst aus einer selbstständigen oder versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern auch Kurzarbeitergeld, Krankengeld, BAföG oder Arbeitslosengeld I. Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV oder Bürgergeld erhalten keinen Kinderzuschlag.

Die Eltern dürfen zudem nicht über erhebliches Vermögen verfügen. Für jedes Kind, für das Kindergeld gezahlt wird, können monatlich bis zu 250 Euro an Kinderzuschlag gezahlt werden.

Im konkreten Rechtsstreit ging es um Eltern von sechs Kindern. Da die Mutter kindergeldberechtigt ist, erhielt sie für die Kinder den Kinderzuschlag. Als Einkommen machte sie das Krankengeld des arbeitsunfähig erkrankten Ehemannes geltend. Als ihm wegen einer zu spät eingereichten Krankmeldung das Krankengeld gestrichen wurde, war die Familie zur Deckung ihres Lebensunterhaltes auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen.

Als dann die Krankenkasse doch noch Krankengeld rückwirkend bewilligte, wurde das Geld mit den zuvor gezahlten Jobcenter-Leistungen aufgerechnet. Nun wollte die klagende Mutter jedoch für die Streitmonate Juni und Juli 2017 rückwirkend auch den vorenthaltenen Kinderzuschlag beziehen. Denn mit dem nachgezahlten Krankengeld habe der Ehemann auch für diese Monate über Einkommen verfügt.

Bezug des Kinderzuschlags ausgeschlossen

Die zuständige Familienkasse lehnte die Nachzahlung des Kinderzuschlags ab. In den strittigen Monaten sei der Familie kein Einkommen von jeweils mindestens 900 Euro zugeflossen.

Dem folgte das LSG. Zwar erfülle die Mutter die Grundvoraussetzungen für den Kinderschlag. So lebten die unter 25 Jahre alten Kinder in ihrem Haushalt, für die sie auch Kindergeld beziehe. Allerdings haben die Klägerin und ihr Ehemann in den Streitmonaten zusammen nicht über das Mindesteinkommen in Höhe von 900 Euro monatlich verfügt. Sie habe vielmehr in den Monaten Juni und Juli 2017 Arbeitslosengeld II erhalten, sodass der Bezug des Kinderzuschlags ausgeschlossen sei.

Maßgeblich sei das sogenannte Zuflussprinzip. Es komme darauf an, in welchem Monat das Einkommen zugeflossen ist. Hier habe die Familie in den Streitmonaten nicht über Krankengeld oder anderes anzurechnendes Einkommen als „bereite Mittel“ verfügt. Sie habe daher zu Recht Arbeitslosengeld II vom Jobcenter erhalten. Damit entfalle aber der Anspruch auf den Kinderzuschlag. Das LSG ließ die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.

Erwerbsunfähige Eltern haben keinen Anspruch

Die BSG-Richter urteilten bereits am 26. Juli 2016, dass auch das Elterngeld bei einkommensschwachen Familien als Einkommen angerechnet wird. Dies kann aber nicht nur dazu führen, dass Eltern die erforderliche Mindesteinkommensgrenze erreichen, sie können auch zusammen mit anderen Einkommen zu viel verdienen. Führe das Elterngeld dazu, dass der Bedarf der Familie zusammen mit anderen Einkommen mehr als gedeckt ist, gehe der Anspruch auf den Kinderzuschlag verloren, entschieden die Kasseler Richter.

Voll erwerbsunfähige Eltern können den gesetzlichen Kinderzuschlag nicht erhalten, urteilte das BSG am 13. Juli 2022. Dieser könne nur beansprucht werden, wenn zumindest ein Elternteil oder ein Kind ab 16 Jahren in einer Bedarfsgemeinschaft Erwerbseinkommen oder vergleichbares Einkommen hat. Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag sei nach dem Gesetz, dass Familienmitglieder dem Grunde nach Grundsicherung für Arbeitsuchende erhalten können. Der Kinderzuschlag diene dann dazu, ein Abrutschen in den Hartz-IV-Bezug zu vermeiden.

Az.: L 9 BK 3/22 (LSG Essen)

Az.: B 4 KG 2/14 R (BSG, Elterngeld)

Az.: B 7/14 KG 1/21 R (BSG, Erwerbsunfähigkeit)

Frank Leth