Berlin (epd). Die vom Bundesfinanzministerium am 21. November verhängte Haushaltssperre für den Bundeshaushalt wirft bei den Ministerien wie auch bei den Sozialverbänden etliche Fragen auf. Führende Verbände forderten die Bundesregierung in Berlin auf, möglichst schnell Planungssicherheit für die Angebote sozialer Träger im kommenden Jahr zu schaffen.
Im Kern geht es um die Frage, ob die Beschlüsse aus der Haushaltsbereinigung vom 17. November weiter Bestand haben oder nicht. Dort waren die im Etatentwurf 2024 vorgesehenen massiven Einsparungen im Sozialsektor weitgehend zurückgenommen worden. Aus den Ministerien hieß es, es sei noch zu früh für eine Bewertung, wie sich die Sperre auf einzelne Projekte auswirken werde.
Ein Sprecher des für die Freiwilligendienste zuständigen Bundesfamilienministeriums sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), sobald die Sperre in Kraft ist, „können in diesem Jahr zulasten des kommenden bzw. der Folgejahre keine neuen Verpflichtungen eingegangen werden, auch wenn der Haushaltsplan dazu ermächtigt“. Bereits eingegangene Verpflichtungen seien nicht betroffen. Das nächste Freiwilligenjahr beginnt im Herbst 2024, die Menschen, die seit diesem Herbst im freiwilligen Jahr oder im Bundesfreiwilligendienst sind, dürften nicht betroffen sein.
Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums sagte dem epd, jedes Ressort prüfe derzeit, „was die haushaltswirtschaftliche Sperre der Verpflichtungsermächtigungen im Bundeshaushalt 2023 im Einzelnen bedeutet“. Das brauche Zeit. Sicher sei aber, dass die Sozialleistungen nicht gefährdet sind: „Gesetzliche Renten, Arbeitslosengeld, die Lebensunterhaltsleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden natürlich auch weiterhin fristgerecht und in voller Höhe ausgezahlt“, sagte der Sprecher am 21. November.
Gerda Hasselfeldt, die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), sagte dem epd am 22. November, man sei „noch überwiegend ratlos“. Auch weil bislang keine Linie in der Ampel erkennbar sei, wie das Haushaltsproblem gelöst werden könne. „Ich hoffe, dass da schnell für Klarheit gesorgt wird.“
Zunächst habe man im DRK nach den Beschlüssen des Haushaltsbereinigungsausschusses „eine gewisse Erleichterung verspürt, denn die Kürzungen für die Migrationsberatung, die Freiwilligendienste, die Asylverfahrensberatung, die Psychosozialen Zentren und auch für die Müttergenesungswerke wurden ganz oder teilweise zurückgenommen“. Dann aber kamen Forderungen aus der Opposition nach massiven Sozialkürzungen und die Haushaltssperre. „Jetzt herrscht große Verunsicherung. Unsere Träger können nicht für 2024 planen. Wir wissen nicht, ob die Beschlüsse gelten oder ob das Verhandlungspaket noch einmal aufgemacht wird.“
Die Präsidentin warnte, dass bei Sozialträgern bei starken Finanzkürzungen Strukturen wegbrächen. „Die wurden über Jahre mühsam aufgebaut, und wenn nun die Finanzierung unsicher ist, stehen viele Stellen zur Disposition, Fachkräfte müssten entlassen werden“, sagte Hasselfeldt. „Die Planungsunsicherheit ist ein Riesenproblem.“
Die momentane Situation sei unbefriedigend, sagte Hasselfeldt und verwies darauf, dass der Bedarf etwa an Migrationsberatung ständig steige. „Hier muss in Zukunft mehr Geld investiert werden.“ Kürzungen seien inakzeptabel.
Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie, sagte in Berlin: „Wir nehmen die Regierungsfraktionen beim Wort und planen mit den Mitteln, die in der Haushaltsbereinigungssitzung für die Belange der Wohlfahrtspflege zugesagt wurden.“
Für die Caritas betonte Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa: „Es muss sichergestellt werden, dass die Haushaltssperre keine Verpflichtungsermächtigungen der Freiwilligendienste betrifft. Sonst wäre die gerade in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses erzielte Verständigung über deren Weiterfinanzierung infrage gestellt.“
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sagte ebenfalls auf Anfrage: „Die Wohlfahrt erlebt eine Achterbahnfahrt ins Ungewisse.“ Als „die nächste Hiobsbotschaft“ bezeichnete er die Sperre der Verpflichtungsermächtigungen, „was wieder einmal die wichtige Arbeit der Freiwilligendienste trifft“. Solange die Haushaltssperre gelte, hätten die Träger und Einsatzstellen für das zweite Halbjahr keine Planungssicherheit. „Wir appellieren an den Bundestag, dabei zu bleiben, dass das Soziale nicht kaputtgespart werden darf“, sagte Schneider.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, warf Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor, mit der Haushaltssperre „Verunsicherung und Angst auszulösen“. Auf der Kippe steht laut Bentele die Energiepreisbremse, deren Verlängerung bis Ende März gerade beschlossen worden ist. Sie befürchte außerdem, dass auch die Kindergrundsicherung gekippt werden könnte. Zuvor hatte der Landkreistag das Aus für die Kindergrundsicherung gefordert. Auch die Union lehnt sie ab.