Augsburg (epd). Eine Mann-zu-Frau transsexuelle Versicherte kann im Einzelfall die Kostenübernahme für eine stimmerhöhende Operation zur Geschlechtsangleichung verlangen. Voraussetzung für eine Übernahmepflicht der gesetzlichen Krankenkasse ist, dass die Versicherte bei einem äußerlich eindeutig weiblichen Erscheinungsbild eine männliche Stimme hat und nur der operative Eingriff den bestehenden psychischen Leidensdruck mindern kann, entschied das Sozialgericht Augsburg in einem am 16. November veröffentlichten Urteil.
Die Klägerin hatte sich 2018 wegen ihrer Mann-zu-Frau-Transsexualität einer geschlechtsangleichenden Operation in Form einer Genitalangleichung und eines operativen Brustaufbaus unterzogen. Äußerlich entsprach sie damit dem Aussehen einer Frau. Allerdings hatte sie noch eine tiefe männliche Stimme.
Während ihrer beruflichen Tätigkeit als Bauleiterin im Hochbau führte ihr weibliches Aussehen und ihre männliche Stimme zu peinlichen Situationen und teils ablehnenden Reaktionen bei Kunden. Mithilfe einer logopädischen Therapie konnte sie zwar eine höhere Stimmlage erreichen. Bei längerer Gesprächsdauer fiel die Versicherte immer wieder in ihre männliche Stimme zurück. Von ihrer Krankenkasse verlangte sie daher die Kostenübernahme für eine stimmerhöhende Operation. Diese geht etwa mit einem Eingriff an den Stimmlippen oder dem Kehlkopf einher.
Die Krankenkasse wies die Frau ab. Es gebe auch „echte“ Frauen mit natürlich tiefer Stimme.
Das Sozialgericht verpflichtete die Krankenkasse jedoch zur Kostenübernahme. Transsexuelle Menschen hätten zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks Anspruch auf chirurgische Eingriffe in gesunde Organe. Wegen ihres bestehenden psychischen Leidensdrucks könne die Klägerin zumindest eine näherungsweise Anpassung an ihr empfundenes Geschlecht verlangen.
Die logopädische Therapie habe auf Dauer keinen ausreichenden Erfolg gehabt. Dagegen habe der vom Gericht bestellte Gutachter ausgeführt, dass die stimmerhöhende Operation zur Besserung der Sprechsituation beitragen könne.
Az.: S 12 KR 462/21