sozial-Politik

Antiziganismus

Expertin: Sozialarbeit oft geleitet von Vorurteilen über Sinti und Roma



Nürnberg, Ravensburg (epd). Natalie Reinhardt, Vorstandsvorsitzende der Landesvertretung deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg, sieht in verschiedenen Bereichen der Sozialarbeit immer wieder aufkommenden Antiziganismus. „Und das bei Leuten, die eigentlich helfen müssten“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

„Nicht wohlgesonnen“

Reinhardt kritisiert das strukturelle Gefälle zwischen Sinti und Roma als Minderheiten, die sich dem gängigen Klischee nach nicht selbst zu helfen wüssten und außerhalb der Gesellschaft stünden, und der Sozialarbeit, die sich als helfende Instanz selbst erhöhe. „Da sehen sich Menschen, die Beratung in Anspruch nehmen wollen, einem Komplex gegenüber, der ihnen nicht wohlgesonnen ist - egal, ob unbeabsichtigt oder beabsichtigt.“

Jugendämter entschieden sich laut Reinhardt bei Sinti und Roma beispielsweise schneller, Kinder aus den Familien zu nehmen, als bei anderen Bevölkerungsgruppen. Oft werde auch die Glaubwürdigkeit der Kinder und Eltern angezweifelt. Sozialarbeitende, die Sinti und Roma aufsuchten, „gehen mit einer bestimmten Erwartungshaltung dorthin und sind dann überrascht, dass sie tatsächlich ein bürgerliches Milieu vorfinden“, sagt Reinhardt.

Bemühungen um Augenhöhe

Ein weiterer Kritikpunkt der Verbandsleiterin ist, dass Hilfsstrukturen, die aus der Community selbst kommen und ehrenamtlich getragen werden, oft nicht anerkannt würden. In der Zusammenarbeit mit den Kirchen und Diakonien habe sich jedoch einiges getan. „Da ist man weggekommen von dem patriarchalen Bild. Es war ein langer Weg, aber man bemüht sich um Augenhöhe“, sagt die Expertin.

Antiziganistische Stereotype kämen aber immer wieder vor. Reinhardt wünscht sich, dass es mehr Sinti und Roma als Mitarbeitende in kirchlichen Organisationen gibt.

Julia Riese