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Sterbebegleitung

Weiches Fell, stilles Zuhören: Hündin Pina bringt Leben ins Hospiz




Hündin Pina im Hospiz Esslingen
epd-bild/Verena Müller
Schwanzwedeln und Streicheleinheiten abholen: Im Hospiz Esslingen besucht Hündin Pina jede Woche die schwerstkranken Gäste. "Tiere erreichen die Seele direkt, es geht nicht den Umweg über den Verstand", erklärt Hospizleiterin Susanne Kränzle.

Esslingen (epd). Montags ist ein besonderer Tag im Hospiz der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Esslingen nahe Stuttgart: Hospizhund Pina kommt zu Besuch. Die apricot-farbene Hündin mit dem seidig-weichen Fell bringt Leben ins Haus. „Pina hat Pfeffer im Hintern“, sagt Besitzerin Marion Kopf über ihre Hündin, die ein Mix aus Irish Setter und Königspudel ist. Schwanzwedelnd läuft die zweieinhalbjährige Pina über den Flur, auch die Pflegekräfte sind begeistert.

Einmal Streicheleinheiten abholen und schnüffeln, dann geht es weiter zu den Zimmern der schwerstkranken Gäste. Acht Betten stehen im stationären Teil des Hospizes Esslingen für Menschen zur Verfügung, die mit großer Wahrscheinlichkeit nur noch eine sehr begrenzte Zeit leben werden.

Mit Pina kommen Freude und Abwechslung ins Haus

Tiere wie Pina sollen Freude und auch Abwechslung in Hospize und auf Palliativstationen bringen. Meist sind Hunde die „Stimmungsaufheller“, wie Marion Kopf sagt. Die ehemalige Pflegefachkraft hat eine Fortbildung in tiergestützter Therapie absolviert. Der Vorgängerhund von Pina hieß Elli und begleitete sie täglich bei der Arbeit auf Station. „Elli war ein kleiner Hund, vor dem man keine Angst hatte“, beschreibt Marion Kopf ihre erste Hündin.

„Alle haben Elli geliebt und getrauert, als sie krank wurde und starb“, erinnert sich die Leiterin des Hospiz Esslingen, Susanne Kränzle. Sie ist gleichzeitig Vorsitzende des Hospiz- und Palliativverbands Baden-Württemberg. Als Marion Kopf vor mehr als zehn Jahren den Vorschlag gemacht habe, einen „Hospizhund“ einzuführen, habe sie sofort zugestimmt: „Tiere erreichen die Seele direkt, es geht nicht den Umweg über den Verstand“, erklärt Kränzle.

„Schöne Augenblicke in schweren Zeiten des Abschieds“

Im Kontakt mit den Gästen im Hospiz zeige sich Pina entspannt, erzählt Marion Kopf. Als „stiller Zuhörer“ habe sie durch ihre bloße Präsenz einen Mann zum Erzählen gebracht. Bei einem anderen Gast, der aufgrund der Schwere seiner Erkrankung nicht mehr sprechen konnte, hätten die jugendlichen Kinder von dem Hund profitiert: „Sie tauschten sich sofort über Tricks und Hundeerziehung aus“, erinnert sich Kopf. Pina habe ihnen einen schönen Augenblick in der schweren Zeit des Abschieds vom Vater beschert.

„Angehörige sind dankbar für die Unterstützung durch den Hund“, ist ihre Erfahrung. So sei die Schwester eines Gastes „ganz beglückt“ gewesen, als sie gesehen habe, wie ihr Bruder den Hund zu sich ins Bett geholt und sich an dessen Nähe erfreut habe.

Wenn Gäste körperlich noch fitter sind, kommt auch ein Spaziergang im Rollstuhl infrage, mit dem Hund an der Leine. Viele Gäste erinnerten sich beim Anblick von Pina an eigene Hunde, die sie einmal hatten. „Eine ältere Frau hat sich sogar extra Leckerli bringen lassen, um sie dem Hund beim nächsten Besuch zu geben“, berichtet Kopf.

Erste Erfahrungen mit Tieren in den 1990er Jahren

In Deutschland wurden in den 1990er Jahren erste Erfahrungen mit Tieren in Hospizen gesammelt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Häuser, die sogar das eigene Haustier erlauben wie etwa das Hospiz der Kreuznacher Diakonie in Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz. Hier arbeiten Vögel, Fische, Hunde und ein Therapiepony als „tierische Kollegen“, die dem einen oder anderen Gast ein Lächeln entlocken.

Um mit dem Tier in eine Einrichtung gehen zu dürfen, muss sich der Halter in tiergestützter Therapie weiterbilden. Der Hund selbst benötigt keine spezielle Weiterbildung. Als „Hospizhund“ sollte er jedoch Körperkontakt und Emotionen aushalten können. Und nach dem Besuchsdienst benötigt er Ruhepausen zum Stressabbau.

Wärme und Fell des Hundes wirken beruhigend

Beim Kontakt mit dem Hund schüttet das Gehirn das Bindungshormon Oxytocin aus, wie Bettina Mutschler vom „Ani.Motion“-Institut für tiergestützte Therapie im baden-württembergischen Sabachwalden erklärt. Die Wärme und das Fell wirkten beruhigend. „In Entspannung werden Schmerzen weniger stark wahrgenommen“, ergänzt sie. Sie arbeitet seit 2014 mit Therapiehunden und Eseln und bildet auch aus. Die Hundeerziehungsberaterin spricht bei der Begegnung mit Tieren in den letzten Lebenswochen von „goldenen Momenten“: „Da passiert ganz viel zwischen Mensch und Tier, was ich als Mensch nicht hinbekomme.“

Tiere gingen einen ehrlicheren Kontakt ein. „Sie haben nicht den gesellschaftlich-moralischen Kontext wie wir“, sagt die Ausbilderin. Das Tier nehme dem Alltag im Hospiz die Schwere, davon ist auch Marion Kopf überzeugt. Pina kann man einfach streicheln und für einen Moment alles andere vergessen.

Susanne Lohse