Berlin (epd). Bei der ersten Beratung ist der Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung im Bundestag am 9. November in Berlin auf heftige Kritik der Opposition gestoßen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) verteidigte das Vorhaben. Die FDP nannte Bedingungen für den Erfolg der Reform.
Der Gesetzentwurf von Paus sieht vor, dass in der Kindergrundsicherung das heutige Kindergeld, der Kinderzuschlag für Familien mit wenig Einkommen und das Bürgergeld für Kinder zusammengefasst werden. Ziel ist es, die Leistungen schneller und einfacher zu gewähren und mehr bedürftige Familien zu erreichen.
Die familienpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, Silvia Breher (CDU), sagte, die Kindergrundsicherung verursache allein Verwaltungskosten von 400 Millionen Euro im Jahr, die die Regierung besser direkt den Kindern und Jugendlichen zukommen lassen solle. Anders als versprochen, werde die Reform nicht dazu führen, dass Familien künftig nur noch eine Anlaufstelle hätten. Breher forderte die Ampel-Koalition zudem auf, Verschlechterungen auszuschließen. Sie drohten etwa ausgerechnet den besonders armutsgefährdeten Alleinerziehenden, wenn die Kinder ins Schulalter kommen.
Paus verteidigte den Entwurf und appellierte an die Bundesländer, die Reform zu unterstützen. Der Bundesrat muss dem Gesetz zustimmen, hat aber zahlreiche Einwendungen - ebenso wie Kommunen, Sozialverbände und Sachverständige, die der Bundestag am 13. November anhören will.
Paus bekräftigte, die Kindergrundsicherung bedeute einen Systemwechsel von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates und sei der Einstieg in die Bekämpfung der Kinderarmut. In Deutschland lebt jedes fünfte Kind an der Armutsgrenze oder darunter. Auf die drohende Verzögerung der Anfang 2025 geplanten Einführung ging Paus nicht ein. Die Bundesagentur für Arbeit (BA), die die Familienservicestellen aufbauen und die Regelungen umsetzen muss, schließt inzwischen aus, dass das Gesetz zur Kindergrundsicherung zum 1. Januar 2025 in Kraft treten kann und plädiert für einen schrittweisen Einstieg ab Mitte 2025.
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sönke Rix erklärte, die Reform werde dazu führen, dass bedürftige Kinder die Leistungen erhielten, auf die sie einen Anspruch hätten. Bisher wird etwa der Kinderzuschlag für einkommensarme Familien nur von gut einem Drittel der Familien auch beantragt.
Der FDP-Familienpolitiker Martin Gassner-Herz sagte, seine Fraktion werde bei den nun anstehenden Beratungen des Gesetzes darauf achten, dass der „Dschungel der Sozialleistungen“ für bedürftige Familien wirklich gelichtet werde. „So kann ein Staat nicht mit seinen Bürgern umgehen.“ Die Kindergrundsicherung müsse die Verwaltung verbessern, werde aber auch mehr sein als eine Verwaltungsreform.
Die Linke sagte der Ampel-Koalition voraus, auch sie werde, wie schon vorherige Regierungen, bei der Bekämpfung der Kinderarmut versagen. Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin Heidi Reichinnek erklärte, arme Kinder bekämen nicht mehr Geld, sondern bestenfalls einen Inflationsausgleich.
Im Einführungsjahr 2025 stehen für die Kindergrundsicherung 2,4 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung, bis 2028 sollen die Ausgaben bis auf rund sechs Milliarden Euro steigen. Von der Reform sollen laut Gesetzentwurf 5,6 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene profitieren, davon knapp zwei Millionen Kinder, die heute Bürgergeld beziehen.