sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Betrieb darf mit Dienstplan nicht Recht auf Lohnfortzahlung umgehen




Fahrzeug eines DRK-Pflegedienstes
epd-bild/Meike Böschemeyer
Der Hinweis einer Beschäftigten im Pflegebereich über einen bevorstehenden OP-Termin hilft bei der Dienstplanerstellung. Arbeitgeber dürfen dies aber bei ihrer Planung nicht zur Umgehung der Entgeltfortzahlung nutzen, urteilte das Landesarbeitsgericht Chemnitz.

Chemnitz, Berlin (epd). Eine im Pflegebereich tätige Arbeitnehmerin darf wegen ihres Hinweises auf eine bevorstehende Operation nicht bei der Dienstplanerstellung benachteiligt werden. Hat der Arbeitgeber die Beschäftigte nach einem entsprechenden Hinweis nicht in die sonst üblichen Schichten eingeteilt, kann eine unzulässige Umgehung des Rechts auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vorliegen, entschied das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) in Chemnitz in einem am 30. Oktober veröffentlichten Urteil. Habe der Arbeitgeber den Dienstplan nicht nach „billigem Ermessen“ erstellt, könne die Arbeitnehmerin Schadensersatz für die entgangene Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlangen.

Nicht in Schichten eingeteilt

Die Klägerin arbeitete im Schichtdienst im Bereich der ambulanten Pflege und Betreuung und übernahm dort Fahrdienste. Laut Arbeitsvertrag betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden. Die jeweiligen Einsatzzeiten wurden in den vom Arbeitgeber erstellten Dienst- und Einsatzplänen bestimmt. Für ihre Arbeit erhielt die Frau eine Grundvergütung von 1.901 Euro pro Monat. Hierfür wurde ein monatliches Stundensoll von 173,17 Stunden zugrunde gelegt. Arbeitete sie in den monatlich eingeteilten Schichten mehr, konnte sie ihre Vergütung entsprechend aufstocken.

Anfang Mai 2021 teilte die Klägerin ihrem Arbeitgeber mit, dass sie wegen einer Zahnoperation voraussichtlich vom 20. bis 26. Mai 2021 arbeitsunfähig sein werde. Für diese Zeit wurde sie daher im Dienstplan mit dem Vermerk „wunschfrei“ nicht in Schichten eingeteilt. Die Frau war darüber hinaus auch am 27. und 28. Mai 2021 arbeitsunfähig erkrankt und konnte an diesen beiden Tagen ihre eingeplanten Dienste nicht antreten.

Für diese zwei Tage erhielt sie vom Arbeitgeber Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, nicht aber für die Zeit davor, bei der im Dienstplan der Vermerk „wunschfrei“ enthalten war. Im Ergebnis hatte die Klägerin im Monat Mai nur etwas mehr als die vereinbarte Grundvergütung erhalten.

Die Frau verlangte für den gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Nur weil sie Rücksicht auf die Dienstplanung genommen und den Arbeitgeber über die voraussichtliche Krankschreibung informiert habe, dürfe sie nicht mit einer unterbliebenen Entgeltfortzahlung bestraft werden.

Zustimmung des Betriebsrates

Der Arbeitgeber verwies darauf, dass die Klägerin trotz der Arbeitsunfähigkeit ihr monatliches Stundensoll sogar übererfüllt habe. Dies sei auch vergütet worden. Dass sie nun auch noch für nicht eingeteilte Schichten eine Entgeltfortzahlung erhalten solle, würde zu einer Überzahlung führen. Schließlich sei der Dienstplan mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgt und habe daher so vom Arbeitgeber angewiesen werden dürfen.

So hatte bereits das LAG Berlin mit Beschluss vom 12. Juli 2019 klargestellt, dass Krankenhausbetreiber Dienstpläne für das Pflegepersonal nicht am Betriebsrat vorbei anordnen dürfen. Stimme der Betriebsrat den Dienstplänen nicht zu, könne der Arbeitgeber nur die Errichtung einer Einigungsstelle verlangen, die dann darüber entscheidet, so damals die Berliner Richter.

Im aktuellen Fall gab das Arbeitsgericht Bautzen der Klägerin in vollem Umfang recht. Vor dem LAG Sachsen hatte die Klage aber nur teilweise Erfolg. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall stehe der Klägerin nicht zu. Dieser Anspruch bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sei (BAG-Urteil vom 28. Januar 2004, Az.: 5 AZR 58/03). Hier sei die Erbringung der Arbeitsleistung aber wegen des Dienstplans nicht nötig gewesen.

Wirtschaftliche Interessen

Allerdings habe der Arbeitgeber den Dienstplan nicht, wie in der Gewerbeordnung vorgeschrieben, nach „billigem Ermessen“ erstellt. Er wollte mit der unterbliebenen Einsatzplanung im streitigen Zeitraum letztlich die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umgehen. Dafür spreche die Tatsache, dass die Klägerin direkt nach der angekündigten voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit wieder eingeplant wurde.

Zwar habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine bestimmte Planung. Die bisherige Handhabung, sie im Durchschnitt an drei Tagen pro Woche einzusetzen, dürfe aber nicht unberücksichtigt bleiben. Der Arbeitgeber habe bei der Dienstplanerstellung allein seine eigenen betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen verfolgt. „Das Interesse der Klägerin, durch ihr vertragstreues Verhalten nicht schlechter gestellt zu werden, fand bei der Dienstplanung dagegen keinerlei Berücksichtigung“, kritisierte das LAG.

Im Durchschnitt wäre die Klägerin an drei Tagen pro Woche in Schichten eingeteilt gewesen. Da sie in der Woche der angekündigten voraussichtlichen Krankschreibung an nur einem Tag eine Schicht übernommen hatte, stehe ihr wegen der unterbliebenen Einteilung für zwei weitere Schichten während ihrer Krankschreibung und der entgangenen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Schadenersatz in Höhe von insgesamt 246,77 Euro zu.

Az.: 2 Sa 197/22 (Landesarbeitsgericht Chemnitz)

Az.: 2 TaBV 908/19 (Landesarbeitsgericht Berlin)

Frank Leth