Berlin (epd). Eine knappe Woche vor dem geplanten Bund-Länder-Spitzentreffen am 6. November hat die Ampel-Koalition einen weiteren Schritt zur Neuordnung der Migrationspolitik gemacht. Das Bundeskabinett beschloss am 1. November Erleichterungen für die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten und schärfere Strafen für Schleuser. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach mit Blick auf weitere Forderungen aus den Bundesländern von einem „bedeutenden Gesetzespaket“, mit dem die Koalition umsetze, was mit den Ländern vereinbart worden sei.
Geflüchtete sollen künftig generell nach sechs Monaten arbeiten dürfen. Bisher gilt das Arbeitsverbot für Menschen in Gemeinschaftsunterkünften neun Monate lang für Alleinstehende und sechs Monate lang für Eltern von Kindern. Von den Erleichterungen ausgenommen werden sollen Ausländer und Ausländerinnen, die Deutschland verlassen müssen, die aus sicheren Herkunftsländern kommen oder die Identitätsklärung verweigern.
Menschen mit einer Duldung sollen grundsätzlich eine Beschäftigungserlaubnis erhalten. Bisher liegt das im Ermessen der jeweiligen Ausländerbehörde. Ausgenommen sind Personen, die in Kürze abgeschoben werden sollen. Damit Geduldete möglichst bald eine Arbeit aufnehmen, sollen die Jobcenter ihnen regelmäßig Stellenangebote machen, die sie annehmen müssen.
Außerdem werden die Hürden für die sogenannte Beschäftigungsduldung gesenkt. Das ist eine Möglichkeit, einen sicheren Aufenthaltstitel zu erlangen. Wer bis Ende 2022 eingereist ist, eine Duldung besitzt und bereits mindestens ein Jahr versicherungspflichtig gearbeitet hat, kann für weitere zweieinhalb Jahre die Beschäftigungsduldung beantragen. Sie gilt für die Antragsteller und ihre Familien, und es kann sich ein sicherer Aufenthaltstitel anschließen. Die Regelung wäre Ende dieses Jahres ausgelaufen, zudem galt sie bisher nur für Menschen, die bis zum 1. August 2018 nach Deutschland gekommen sind, der Einreisezeitraum wird bis Ende 2022 erweitert.
Das Kabinett sprach sich zudem dafür aus, die Strafvorschriften für Schleuser zu erhöhen. In Fällen gewerbs- oder bandenmäßiger Schleusung, in denen das Mindeststrafmaß bislang bei unter einem Jahr liegt, soll es auf ein Jahr heraufgesetzt werden. Strafverfahren können dann nicht mehr ohne Weiteres eingestellt werden. Faeser sagte dazu, die Bekämpfung der Schleuserkriminalität habe für sie oberste Priorität: „Schleusung ist ein Verbrechen.“ Nach Angaben des Bundesinnenministeriums registrierte die Bundespolizei in diesem Jahr bis Ende Juli 1.300 Fälle mit 14.000 geschleusten Personen.
Ein ebenfalls vom Bundeskabinett gebilligter Gesetzentwurf von Faeser sieht vor, dass Daten künftig einfacher und teilweise automatisiert an das Ausländerzentralregister übermittelt werden sollen. Die Bundesregierung setzt damit eine Forderung der Länder um.
Faeser hat die angestrebten Gesetzesänderungen als Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen zum bereits vom Kabinett gebilligten Gesetz für eine Verschärfung der Abschieberegelungen verfasst. Damit kann beides zeitgleich vom Bundestag beraten werden.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, die Arbeitserleichterungen seien der „entscheidende zweite Teil“ der Änderungen im Migrationsrecht. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte: „Endlich ist der Weg frei für einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen im Asylverfahren und mit Duldung. Wir machen damit einen wichtigen Schritt, für den wir uns gemeinsam mit Wirtschaft, Handwerk und Kommunen lange eingesetzt haben.“ Die schnellere Aufnahme von Arbeit ermögliche es geflüchteten Menschen, ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und es hilft ihnen im Lebensalltag und bei der Integration."
Pro Asyl begrüßte die Erleichterungen für Asylsuchende beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Der flüchtlingspolitische Sprecher, Tareq Alaows, erklärte aber zugleich: „Kleine vermeintliche Verbesserungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt reichen nicht. Nötig ist, dass alle Arbeitsverbote vollständig abgeschafft werden.“ Arbeitsverbote grenzten Menschen aus der Gesellschaft aus und seien auch angesichts des Arbeitskräftemangels in Deutschland der falsche Weg, sagte Alaows.
Damit Geflüchtete schnell qualifizierte Arbeit finden könnten, seien weitere Schritte nötig, forderte der Sprecher. So müssten Sprachkurse ausgeweitet und ab dem ersten Tag allen angeboten werden. Zudem müssten ausländische Schul-, Ausbildungs- und Studienabschlüsse unkompliziert und schnell anerkannt werden.Alle Arbeitsverbote müssten abgeschafft werden.
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel erklärte, Deutschland profitiere von jedem Baustein, der es möglich mache, dem Arbeitskräftemangel zu begegnen.