Mannheim (epd). Einem sechsjährigen jesidischen Mädchen aus dem Irak droht bei einer Abschiebung keine Zwangsverheiratung. Selbst wenn das bei jesidischen Frauen angenommen werden müsste und staatliche Behörden keinen Schutz dagegen bieten könnten, würde die Zwangsverheiratung nur Frauen im heiratsfähigen Alter treffen, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem am 27. Oktober veröffentlichten Urteil. Zudem gebe es keine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“, dass die klagende Sechsjährige eine Gruppenverfolgung fürchten und ihr deshalb Flüchtlingsschutz gewährt werden müsse, betonten die Mannheimer Richter.
Das Kind war 2019 zusammen mit ihrer Tante und einem Onkel aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Ihre Eltern blieben dort. Das Mädchen gehört zu den Jesiden an, die 2014 vom Völkermord durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) betroffen war.
Während das Verwaltungsgericht Freiburg dem unter der Vormundschaft der Stadt Freiburg stehenden Kind Flüchtlingsschutz zusprach, hob der VGH diese Entscheidung nun auf. Weder haben das Kind Anspruch auf eine Flüchtlingsanerkennung wegen einer drohenden Gruppenverfolgung noch könne ihr der eingeschränkte subsidiäre Flüchtlingsschutz gewährt werden. Auch Abschiebungshinderninsse bestünden nicht, befand das Gericht.
Es fehle an einer „flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr“ im Irak, urteilte der VGH. Eine systematische Verfolgung durch den militärisch besiegten IS oder durch radikal-islamische Milizen finde im Irak nicht statt.
Eine Zwangsverheiratung, die einen Flüchtlingsschutz begründen könnte, drohe ihr ebenfalls nicht. Selbst wenn man unterstellen würde, dass jesidische Frauen zwangsverheiratet und staatliche Behörden das nicht unterbinden würden, wäre die Klägerin zunächst nicht betroffen. Denn das Mädchen sei noch nicht im heiratsfähigen Alter. Dass im Verlauf ihres Lebens eine Zwangsheirat drohen könnte, sei bloße Spekulation, so das Gericht.
Der Klägerin drohe bei einer Rückkehr zu ihren Eltern auch keine willkürliche Gewalt oder ein anderer ernsthafter Schaden. Ein subsidiärer Schutz könne daher ebenfalls nicht gewährt werden. Gründe für ein Abschiebungsverbot bestünden nicht, hieß es.
Az.: A 10 S 373/23