Klingenberg/Erlenbach (epd). Nilifür Ulusoy hat manchmal das Gefühl, dass Menschen ihr Angst machen wollen, damit sie sich aus ihrem Ehrenamt zurückzieht. Die Integrationsbeauftragte der Stadt Klingenberg sowie Vorsitzende des Vereins „Frauen für Frauen“ in Erlenbach, beides angesiedelt im unterfränkischen Landkreis Miltenberg, kümmert sich seit zehn Jahren um Flüchtlinge. Das wird nicht leichter: „Es gibt immer mehr Menschen, die Unruhe schaffen wollen.“
Ulusoy hat keine Angst, wenn sie zu den 23 afghanischen Männern geht, die vor kurzem nach Klingenberg gezogen sind. Und sie hat auch keine Angst vor Mitbürgern, die genug von Migranten haben und jene anfeinden, die Geflüchtete unterstützen. „Ich weiß, ich mache nichts Falsches“, sagt sie. Zu schaffen macht ihr jedoch, welcher Hass sich in den sozialen Medien über Flüchtlinge ergießt: „Ich bin oft froh, dass unsere afghanischen Flüchtlinge die Sprache noch nicht verstehen und darum nicht mitbekommen, was über sie gesagt wird.“
Ulusoy engagiert sich, weil sie als Kind türkischer Gastarbeiter selbst erlebt hat, wie es ist, ausgegrenzt und abgelehnt zu werden: „Ich hatte eine deutsche Freundin im Kindergarten, die nicht mit mir spielen durfte, weil die Eltern Angst vor mir als türkischem Kind hatten.“
Integrationshelfer stünden im öffentlichen Konflikt, bestätigt Tobias Weidinger von der Universität Erlangen-Nürnberg. Der Kulturgeograph befasst sich in einem Forschungsprojekt mit Fragen von Zuwanderung in ländlichen Räumen. „Das Engagement für Migrantinnen und Migranten hat in den letzten Jahren stark abgenommen“, konstatiert er. Viele Flüchtlingshelfer hätten ihren Einsatz aus gesundheitlichen, beruflichen oder familiären Gründen eingestellt. Ehrenamtliche geben nach seinen Erkenntnissen auch deshalb irgendwann auf, weil sie zu wenig oder keine Unterstützung von Politik und Verwaltung vor Ort erhalten. „Hinzu kommt, dass Ehrenamtliche aufgrund ihres Engagements unterschiedliche Formen von Anfeindungen gegenüber sich und ihren Familien erleben“, so der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Erlanger Institut für Geographie.
Das kann Joachim Schmitt von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung im unterfränkischen Aschaffenburg vollauf bestätigen. Der Bildungsreferent gehört zu den Organisatoren einer sozialen Vernetzungsplattform namens „Open-Sozial“. Integration und Flüchtlingshilfe sind ein Schwerpunktthema der hier Engagierten. Laut Schmitt kommt es auch am Bayerischen Untermain inzwischen öfter zu Anfeindungen von Flüchtlingshelfern: „Die Spannungen reichen bis in die Familien hinein.“
Bei der Freiwilligenagentur „Schaffenslust“ im schwäbischen Memmingen, wo auch Flüchtlingshelfer unterstützt werden, hat man bisher indes noch nichts von direkter Kritik und Ablehnung mitbekommen. „Was wir jedoch erfahren, ist zunehmendes Unverständnis, warum man noch immer in der Flüchtlingshilfe tätig ist“, sagt Agenturleiterin Isabel Mang. Umso intensiver kümmert man sich bei „Schaffenslust“ gerade um diese Engagierten: „Wir stärken sie nicht zuletzt dadurch, dass wir als Kummerkasten für sie da sind.“
Wie kann ehrenamtliches Engagement für Geflüchtete trotz zunehmender Konflikte gelingen? An der Uni Erlangen-Nürnberg sind sie auch dieser Frage nachgegangen. Ehrenamtliche, die bei der Stange bleiben, bewerten ihr eigenes Engagement als positiv. Daraus ziehen sie Kraft. Der interkulturelle Austausch etwa werde als bereichernd empfunden. Auch den Wünschen der Ehrenamtlichen gingen die Erlanger Forscherinnen und Forscher nach. Wie sie herausfanden, wünschen sich viele Flüchtlingshelfer einen besseren Draht zu Behörden.
Das Team um Tobias Weidinger bat die am Forschungsprojekt teilnehmenden Flüchtlingshelfer, einander Tipps zu geben, wie man im Engagement stark bleiben kann. Wie sich herausstellte, ist das Ehrenamt nicht nur wegen schwieriger Behördenkontakte und Anfeindungen sehr anspruchsvoll. Auch falsche Erwartungen führten oft zu Frust. „Man muss die Menschen nehmen, wie sie sind“, sagt eine Ehrenamtliche. Man dürfe Geflüchtete nicht bevormunden, nicht überrollen: „Man muss ihren Willen akzeptieren.“ Das Wichtigste sei, den Mut nicht zu verlieren, meint Nilifür Ulusoy. „Am Ende wird man sich an uns, an die Mutigen erinnern“, ist sie überzeugt.