sozial-Recht

Oberverwaltungsgericht

Schutz der Mitschüler hat Vorrang vor Inklusion



Lüneburg (epd). Ständiges übersexualisiertes Verhalten, Übergriffe und Beleidigungen eines zehnjährigen Schülers lassen sich wegen dessen ADHS-Syndroms nicht entschuldigen. Verletzt der Junge dann auch noch eine Mitschülerin mit einem Rasiermesser, darf die Schule als Ordnungsmaßnahme einen Schulwechsel veranlassen, entschied das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 29. September. Der Schulfrieden und der Schutz der Mitschüler habe dann Vorrang vor dem Ziel der Inklusion von psychisch kranken oder behinderten Schülern.

„Schwierigkeiten in der Impulskontrolle“

Konkret ging es um einen zehnjährigen Schüler, bei dem eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) besteht. Ein Kinder- und Jugendpsychiater hatte dem Jungen eine „kurze Zündschnur“ bescheinigt. Er sei ein „bedürfnisorientiert agierender Zehnjähriger mit erheblichen Schwierigkeiten in der Aufmerksamkeitslenkung und in seiner Impulskontrolle“.

Der Zehnjährige fiel in seiner 5. Klasse durch ständige Beleidigungen von Mitschülern und Lehrern auf. Immer wieder schlug er Mitschüler und zeigte ein übersexualisiertes Verhalten. So griff er Mädchen unter den Rock oder fasste sie an Brüste und Po. Ermahnungen des Lehrpersonals und Gespräche mit den Eltern führten zu keiner Änderung.

Als der Junge an einem Tag einem Mädchen mit einem Rasiermesser die Haare vom Arm abrasieren wollte und diese beim Wegziehen des Armes eine Schnittverletzung erlitt, war das Maß voll. Die Schulleitung veranlasste einen Schulwechsel.

Sicherung des Bildungsauftrags

Die Eltern erhoben dagegen Widerspruch. Das Verwaltungsgericht Hannover lehnte den Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ebenso ab wie nun das OVG. Schulen seien zwar zur Integration von Schülern mit besonderem Förderbedarf verpflichtet. Dies bedeute aber nicht, dass Schulen gravierende Pflichtverletzungen hinnehmen müssten. Das schulrechtliche Inklusionsprinzip stehe der Überweisung des Zehnjährige an eine andere Schule nicht entgegen.

Denn die Schule müsse auch die „durch die Pflichtverletzungen betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie die Sicherung des zur Erfüllung des Bildungsauftrags der Schule erforderlichen Schulbetriebs“ schützen. Zwar dürfe eine Ordnungsmaßnahme nicht den Charakter eines dauerhaften Schulausschlusses annehmen. Hier könne der Zehnjährige aber weiter eine Schule besuchen, nur jedoch eine andere.

Az.: 2 ME 75/23