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Drogen

Weniger Geld für Suchthilfe




Suchtberaterin Karina Bauer
epd-bild/Pat Christ
Die Pläne der Bundesregierung, an der Suchthilfe im kommenden Jahr zu sparen, rufen die Experten und Sozialverbände auf den Plan. Sie warnen vor einer Unterversorgung der Drogenabhängigen und Suchtkranken - denn Geld fehlt schon länger.

Frankfurt a. M. (epd). Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) beklagt: Geld für eine ausreichend gut ausgebaute Suchthilfe fehle seit Jahrzehnten. „Die Problematik spitzt sich aktuell aufgrund der schwierigen finanziellen Situation vieler Kommunen sowie aufgrund der Preissteigerungen bei den Personalkosten, den Mieten und der Energie weiter zu“, heißt es in einem Eckpunktepapier der DHS zur Finanzierung der Suchtberatung.

„Beratungsstellen werden schließen müssen“

Weil in dieser Lage nun auch noch Kürzungen im Bundeshaushalt im kommenden Jahr drohen, warnen Suchthilfeexperten vor einem Abbau an Beratungs- und Hilfsangeboten für Suchtkranke. „Die Träger werden Personal reduzieren und Suchtberatungsstellen mancherorts ganz schließen müssen“, sagt die Landesstelle für Suchtfragen in Baden-Württemberg voraus. Der Bundesetat mit dem Titel „Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs“ soll nach aktuellen Plänen massiv gekürzt werden: von derzeit 13,2 Millionen Euro auf 9,2 Millionen Euro in 2024.

Die Suchtberatung fällt nach dem Sozialstaatsprinzip unter die kommunale Daseinsvorsorge und wird durch Steuermittel von Bund und Ländern finanziert. Verbände kritisieren, dass die Höhe und Verwendung der Geldmittel jedoch auf einer politischen Entscheidung und nicht auf der Grundlage des tatsächlich festgestellten Bedarfs beruhe.

Geld für Suchtberatung sei eine gute Investition, betont Heike Timmen, Suchthilfereferentin beim AWO-Bundesverband. „Für jeden eingesetzten Euro können 17 Euro an Folgekosten eingespart werden“, sagt sie. In den rund 1.400 Suchtberatungsstellen bundesweit würden jährlich etwa 500.000 Abhängigkeitskranke beraten.

Kosten deutlich gestiegen

Wie schnell und wie häufig ein Suchtkranker Hilfe erhält, hänge allerdings davon ab, wo er lebt: „Es gibt Regionen, in denen eine Fachkraft für bis zu 70.000 Personen zuständig ist.“ Timmen fordert eine Suchtfachkraft pro 10.000 Einwohner.

Der Verein „Suchtberatung“ im baden-württembergischen Weinheim unterstützt derzeit mehr als 600 Abhängige und ihre Angehörigen. Der Leiter des Vereins, Paul Jöst, findet es unverständlich, dass das Land Baden-Württemberg nicht mehr in Suchtberatung investiert: „Die Förderung hat sich für uns seit 2002 fast nicht verändert.“ Dabei seien die Kosten in vielen Bereichen deutlich gestiegen.

Suchtkranke leiden laut Karina Bauer, Leiterin der Suchtberatungsstelle des Blauen Kreuzes in Würzburg, nicht allein unter ihrem unkontrollierten Drogenkonsum. Vergrößert werde ihr Leid durch gesellschaftliche Ächtung. „Mir ist es ein großes Anliegen, gegen Stigmatisierung zu wirken“, sagt die Suchttherapeutin.

Paul Jöst arbeitet dafür, dass Menschen erst gar nicht in eine Suchtspirale hineingeraten. Dafür geht er auch in Schulen. „Einmal im Monat sind wir außerdem im Jobcenter“, sagt er. Noch mehr könnte nach seinen Worten getan werden, gäbe es mehr Geld für Suchtprävention.

Nur ein kleiner Teil der Betroffenen wird erreicht

Corinna Mäder-Linke, Geschäftsführerin des Bundesverbands Suchthilfe in Kassel, nennt es „fatal“, dass „Suchtberatungsstellen finanziell sehr schlecht ausgestattet sind“. Denn Suchtberatungsstellen seien „so wichtig, weil sie das System der Suchthilfe quasi zusammenhalten“. Ohne sie würden viel weniger Drogenabhängige in eine Suchtklinik vermittelt.

Suchtberatungsstellen seien stark ausgelastet, sagt Christina Rummel, Geschäftsführerin der in Hamm angesiedelten Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Dennoch erhielten keineswegs alle Menschen mit problematischem Konsum von legalen oder illegalen Drogen Hilfe. Es würde vielmehr nur ein kleiner Teil der Betroffenen erreicht. Ohne ausreichende Unterstützung liefen Suchtkranke jedoch Gefahr, zu verelenden und im schlimmsten Fall zu sterben.

Laut Rummel sind Suchtberatungsstellen „chronisch unterfinanziert“. Beratungsstellen seien am Limit. Die DHS fordert vor diesem Hintergrund einen Rechtsanspruch auf Suchtberatung. Suchtberatung müsse eine Pflichtleistung der kommunalen Daseinsvorsorge werden.

Hilde Rainer-Münch, Suchtreferentin beim bayerischen Landesverband der Caritas, sagt, zur mangelnden Finanzierung geselle sich nun auch an Mangel an Fachkräften. „Der macht vor der Suchthilfe nicht halt.“

Pat Christ