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Interview

Fachverband: "Respect Coaches" wichtiger denn je



Der Bund will die Gelder für die Jugendmigrationsdienste kürzen. In der Folge droht das Aus für das Programm "Respect Coaches". Uwe Grallath von der BAG Evangelische Jugendsozialarbeit sieht viele pädagogische Erfolge zunichtegemacht. Im Interview erklärt er, warum die Streichpläne nicht in die politische Landschaft passen.

Stuttgart (epd). Uwe Grallath ist überzeugt, dass der Kampf für Demokratie und Toleranz an Schulen nicht beschnitten werden darf. Doch wenn die geplanten Kürzungen des Bundes Realität werden, müssten die Fachkräfte im Programm „Respect Coaches“ an bundesweit rund 600 Schulen ihre Arbeit einstellen. Diese Arbeit sei „auf absehbare Zeit dringend notwendig, denn das Vertrauen in demokratische Regeln fällt nicht vom Himmel“, sagt der Koordinator der Trägerfachstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit. Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Immer mehr Sozialverbände kritisieren die geplanten Kürzungen der Bundesregierung im Bereich Migration und Beratung. Die Jugendmigrationsdienste (JMD) sollen demnach 40 Prozent weniger Geld bekommen. Wann haben Sie von den vorgesehenen Kürzungen erfahren?

Uwe Grallath: Das Bundesfamilienministerium hat uns und die anderen Trägergruppen Mitte Juli darüber informiert, dass das Jugendmigrationsdienst-Programm „Respekt Coaches“ beendet werden soll.

epd: Wenn es so kommt, hat das auch Folgen für das Programm der „Respect Coaches“ an Schulen ...

Grallath: Ja, aufgrund der massiven Kürzungen, die in dieser Höhe vollkommen unerwartet und kurzfristig kommuniziert wurden, blieb keine Alternative, als das Programm zum Ende dieses Jahres zu beenden. Die nachgewiesen gute und wirkungsvolle Arbeit der Fachkräfte im Programm „Respekt Coaches“ wird auch nicht aus fachlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt eingestellt, sondern weil die Vorbereitungskosten für die Kindergrundsicherung finanziert werden müssen. Dass hier notwendige und sinnvolle Förderzwecke gegeneinander ausgespielt werden, ist unfassbar und betrifft leider auch andere Bereiche im Kinder- und Jugendplan des Bundes.

epd: Demokratie und Toleranz bei jungen Menschen und der Kampf gegen extreme Einstellungen müssten doch eher gestärkt werden. Was ginge jetzt an pädagogischer Arbeit an den Schulen verloren?

Grallath: Im letzten Kinder- und Jugendbericht wurde das Programm „Respekt Coaches“ als wegweisend eingestuft, weil Elemente der Politischen Bildung und der Jugendsozialarbeit wirkungsvoll miteinander verknüpft werden. Die Fachkräfte arbeiten zusammen mit Bildungsträgern aus der Politischen Bildung und der Extremismusprävention zusammen und können damit ein weites Spektrum an Gruppenangeboten abdecken. Das gilt nicht nur für Themen wie Rassismus, Extremismus, Sexismus, Verschwörungsideologien und Antisemitismus. Erfolgreich ist vor allem der methodische Zugang, der meistens schuluntypisch erfolgt, wenn zum Beispiel Rap-Workshops oder Rollenspiele Jugendliche für ein paar Stunden aus ihrem Alltag herausholen, dennoch ihre Themen aufgreifen oder ihre Fragen beantworten.

epd: Was sind die Gründe für den gelingenden Zugang in dem Programm?

Grallath: Das geht nur über die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit jungen Menschen. Jede einzelne Person will in ihrer Individualität gesehen und anerkannt werden. Wenn über sensible und heikle Themen gesprochen werden soll, müssen die Fachkräfte eine belastbare Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern aufbauen - das braucht Zeit, Fingerspitzengefühl und sehr viel Geduld. Aber genau dieser Ansatz ist das Erfolgsrezept, da die „Respekt Coaches“ zwar an der Schule sind, aber sie arbeiten nicht wie die Schule: es gibt keine Noten, keine Bewertung und auch keine Sanktionen. Das funktioniert jedoch nur, wenn auch die Schulleitung und die Lehrkräfte von diesem Ansatz überzeugt sind. Genau diese Überzeugungsleistung ist den Fachkräften an den rund 600 Schulen gelungen und wir haben dieses Jahr so viele Gruppenangebote an den Kooperationsschulen durchgeführt wie noch nie.

epd: Ihre Kritik an den Kürzungen ist auch grundsätzlicher Natur ...

Grallath: Ja, denn diese pädagogischen Erfolge werden mit der aktuellen Haushaltsplanung mit einem Federstrich wieder zunichte gemacht. Die Fachkräfte haben seit 2018 sehr viel Zeit und Mühe investiert, um unzähligen Schülerinnen die fundamentale Bedeutung demokratischer Werte und persönlicher Wertschätzung, aber auch die Grundregeln der Kommunikation - ausreden lassen, zuhören und abweichende Meinungen akzeptieren - glaubhaft zu vermitteln und vorzuleben. Genau diese Arbeit ist auf absehbare Zeit dringend notwendig, denn das Vertrauen in demokratische Regeln fällt nicht vom Himmel.

epd: Es bräuchte also mehr statt weniger Geld für die Demokratieschulungen?

Grallath: Ja. Dass Bundesprogramme enden können, ist uns klar. Aber der Zeitpunkt besonders schlecht gewählt. Außerdem hat das zuständige Ministerium es versäumt, frühzeitig gemeinsam mit den Ländern eine Anschlusslösung zu erarbeiten. Denn eins ist doch klar: Respekt Coaches werden gebraucht. Dieses Vorgehen entspricht keinesfalls den Herausforderungen in den Kommunen und in den Schulen, sie blendet auch die Lebenswelt vieler junger Menschen komplett aus. Sowohl die Beratungsarbeit der Jugendmigrationsdienste als auch die inhaltliche Arbeit des Programms „Respekt Coaches“ muss dringend angemessen ausfinanziert und fortgeführt werden, weil sich die Aufgaben nicht einfach in Luft auflösen werden. Das Gegenteil wird der Fall sein - und das wird am Ende ein Vielfaches kosten.



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