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Armut

Bärenhaus ist eine feste Adresse für ehemalige Obdachlose




Im Treppenhaus des "Bärenhauses"
epd-bild/Timo Lechner
Endlich ein Dach über dem Kopf und wieder zu sich finden. Raus aus der Mühle des alltäglichen Suchens nach einer Bleibe. Das "Bärenhaus" bedeutet für sieben ehemals obdachlose Männer in Augsburg diese Chance.

Augsburg (epd). Fritz und Charlie (Namen geändert) sitzen vor dem Fernseher, den sich Johnny durch kleinere Jobs in den vergangenen Monaten zusammengespart hat. Das Sofa vor dem Bildschirm dient ihm zugleich als Bett in seinem kleinen Zimmer im ehemaligen Pfarrhaus der Erlöserkirche im Augsburger Stadtteil Bärenkeller. Das stand leer, bis es Anfang 2022 die Diakonie Augsburg für drei Jahre gemietet hat und die oberen Räume für von Wohnungslosigkeit bedrohte Männer herrichtete.

Diese hatten damals mitgeholfen, als das in die Jahre gekommene Haus entrümpelt und renoviert wurde. Es wurde gestrichen, eine Wand eingezogen und die Zimmer sowie der Gemeinschaftsraum im Parterre mit gebrauchten Möbeln ausgestattet. „Wir fühlen uns wohl und sind einfach dankbar, hier zu sein“, sagt Fritz. Wie sein jüngerer Kompagnon hat er einige Jahre auf der Straße hinter sich. Wie er dahin gekommen ist, will der fröhlich wirkende Mann nicht erzählen.

„Ich schau in die Zukunft“

„Das ist völlig normal bei Menschen mit langem Straßenleben. Dort haben sie ein bisschen verlernt, anderen zu vertrauen und gelernt, eher in sich gekehrt zu sein“, weiß Christian Müller. Der Leiter des Fachbereichs „Besondere Notlagen“ bei der Diakonie Augsburg und des Bodelschwingh-Hauses, dem Wiedereingliederungszentrum für haftentlassene und von Straffälligkeit bedrohte Männer, hat für das Projekt gekämpft. 37.000 Euro wurden an Mitteln für die Renovierung genehmigt, das Hilfswerk „Kartei der Not“ hat eine neue Küche im Wert von rund 6.000 Euro spendiert.

Einige der Männer lebten vorher im Wohnhilfeprojekt „Löwenhaus“ im Stadtteil Pfersee, das allerdings Anfang 2022 scheiterte, weil der Vermieter andere Pläne hatte. „Ich bin froh, dass ich nicht wieder wohnungslos bin und schau in die Zukunft“, sagt Fritz.

Ähnlich geht es dem jüngeren Charlie, der sogar in dieser Gegend in Augsburg aufgewachsen ist. „Ich kenne hier auch viele Menschen, wenn ich vor die Türe gehe“, sagt er. Sein Raum ist zweckmäßig eingerichtet. Ein alter Kühlschrank steht neben einem Waschbecken und einem Regal mit ein paar wenigen Habseligkeiten. Ein Bad mit WC und Dusche teilen sich die Männer ebenso wie die Küche. „Bei uns lebt es sich wie in einer Studenten-WG. Man muss aufeinander Rücksicht nehmen und sich absprechen. Manchmal knallt es halt auch“, gibt Charlie zu.

Yanfei Ren, die das Wohnhilfeprojekt seit wenigen Monaten unter ihren Fittichen hat, schaut ebenso wie Müller regelmäßig im „Bärenhaus“ vorbei. „Die Männer sind freiwillig hier und brauchen auch keinen Aufpasser. Aber es gibt immer wieder Beratungsbedarf“, erklärt die Psychologin. Das Wichtigste für die Männer, die hier aufgenommen wurden, sei, erst einmal zur Ruhe zu kommen und sich wieder an ein geregeltes Leben ohne die tägliche Suche nach dem nächtlichen Schlafplatz zu kümmern. Nachdem sie eine feste Adresse haben, könne man über Jobvermittlung und alles Weitere sprechen. „Das alles braucht Zeit.“

Wieder auf die Beine gekommen

Ärztliche Betreuung braucht Dirk, ein weiterer Bewohner. 17 Jahre lebte der Lebenskünstler in Spanien, engagierte sich politisch als Hausbesetzer und tingelte als Straßenkünstler und Jongleur durch das Land, erzählt er. Eine nach einem Unfall kaputte Hüfte und immer weniger Geld brachten ihn zurück in die Heimat.

In Augsburg landete er dann auf der Straße. „Wer weiß, ob ich noch am Leben wäre, hätte mich eine Sozialarbeiterin nicht mit der Diakonie in Kontakt gebracht“, sagt Dirk dankbar. Auch wenn die Hüfte schmerze, sei er froh, wieder auf die Beine gekommen zu sein. Irgendwann werde es hier sicher auch mal mit einem Job klappen. „Aber es sucht ja jeder nur Fachkräfte, ein Ungelernter wie ich tut sich schwer“, meint er.

Im Ensemble zwischen Kirche, Kindertagesstätte und der gegenüberliegenden Schule, eingerahmt von Wohnblocks aus den 1930er Jahren, fällt das „Bärenhaus“ kaum auf. „Seine Bewohner glücklicherweise auch nicht“, ergänzt Christian Müller. Mit der Kirchengemeinde als Mieter und der Diakonie als Vermieter wüssten die Anwohner, dass hier jemand ein Auge drauf habe. „Die Männer haben es selbst in der Hand, wir können nur Hilfestellungen geben“, sagt Müller.

Timo Lechner