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Notlagenfonds der Diakonie will werdende Mütter ermutigen




Positiver Schwangerschaftstest
epd-bild/Heike Lyding
Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 100.000 Kinder abgetrieben. Fehlende Finanzen sollten nie ein Grund sein, um sich gegen ein Kind zu entscheiden, finden die beiden Diakonischen Werke im Südwesten - und unterhalten deshalb einen Notlagenfonds.

Stuttgart,Karlsruhe (epd). Anna schwebte auf Wolke Sieben. Der Mann, den die 24-jährige Studentin in ihrem Nebenjob kennengelernt hatte, trug sie auf Händen. Er war aufmerksam, liebevoll, zärtlich. Das änderte sich abrupt, als Anna ihm erzählte, dass sie schwanger ist. Sie solle das Kind abtreiben, forderte er - und stürzte Anna damit in Gewissensnöte. Sie hatte sich immer Kinder gewünscht. Aber würde sie das allein schaffen?

Eine Entscheidung für das ganze Leben

„Eine Schwangerschaft kann für eine Frau das schönste Gefühl der Welt sein, sie kann sie aber auch in eine existenzielle und emotionale Krise stürzen, wenn die Rahmenbedingungen gefühlt nicht stimmen“, sagt Martina Haas-Pfander dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie ist Referentin für Schwangerschafts- und Konfliktberatungsstellen beim Diakonischen Werk der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. „Gerade Frauen aus armutsgefährdeten Verhältnissen benötigen dann nicht nur ideelle Ermutigung, sondern finanzielle Unterstützung, um sich etwa eine Grundausstattung für das Baby anschaffen zu können, wenn staatliche Hilfen nicht greifen.“

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland stieg 2022 mit rund 104.000 gemeldeten Fällen um 9,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, nachdem 2021 mit 94.600 Fällen der niedrigste Stand seit Beginn der Statistik verzeichnet worden war. Die Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch werden statistisch nicht im Detail erhoben. „Die Entscheidung für oder gegen ein Kind ist eine weitreichende mit Auswirkungen auf das gesamte Leben. In dieser Situation soll keine Frau das Gefühl haben, allein gelassen zu sein“, sagt die Expertin.

Und genau da setze der 2010 ins Leben gerufene Notlagenfonds „Kind willkommen“ der beiden Diakonischen Werke in Baden und Württemberg an. „Wir wollen Frauen und Familien, die ein Kind erwarten, Mut machen und ihnen signalisieren, dass sie nicht allein gelassen werden“, sagt Martina Haas-Pfander.

Schnelle und unbürokratische Hilfe

Mehr als 2.000 Frauen und Paare wurden seit 2010 mit Mitteln aus dem Fonds unterstützt, im vergangenen Jahr waren es 327. Dabei gehe es nicht um riesige Summen, denn die staatlichen Leistungen hätten prinzipiell immer Vorrang. Im Durchschnitt würden aus dem Notlagenfonds 230 Euro pro Fall ausgezahlt. „Es soll in erster Linie ein Zeichen der Ermutigung sein“, sagt Haas-Pfander.

Der Notlagenfonds „Kind willkommen“ speist sich allein aus Spenden, die ein speziell dafür gegründeter Verein einwirbt. Über die 85 staatlich anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen der Diakonie in Baden und Württemberg kommen die Mittel direkt den bedürftigen Frauen zugute. „Es geht um schnelle und unbürokratische Hilfe, wenn staatliche Leistungen nicht ausreichen oder nicht möglich sind, weil etwa die Geburtsurkunde noch nicht vorliegt“, erklärt Haas-Pfander.

Sie beobachtet eine zunehmende Verunsicherung und wachsende finanzielle Probleme bei Schwangeren und Familien. Die hohen Energiepreise und die Inflation träfen Familien und alleinerziehende Mütter besonders hart. Das solle jedoch kein Grund sein, sich gegen ein Kind zu entscheiden, findet Haas-Pfander - wobei sie betont, dass die Mitarbeiterinnen der Diakonie-Beratungsstellen grundsätzlich ergebnisoffen beraten, also die werdenden Mütter entscheiden, ob sie ihr Kind austragen wollen oder nicht.

Anna hat sich nach mehreren Beratungsgesprächen am Ende für ihr Kind entschieden. Es kam im Mai zur Welt und heißt Felix - der „Glückliche“.

Matthias Pankau


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