Kassel (epd). Die Pflege im Krankenhaus ist in aller Regel eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Pflegekräfte können die abhängige Arbeit auch nicht dadurch umgehen, dass sie eine Ein-Personen-Kapitalgesellschaft gründen, sich als Geschäftsführer einsetzen und dann im Auftrag ihrer Gesellschaft sozialversicherungsfrei Pflegeleistungen erbringen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in zwei am 20. Juli verkündeten Urteilen.
Sei der Geschäftsführer in den Klinikbetrieb eingegliedert, dort weisungsgebunden und müsse er mit dem Klinikpersonal zusammenarbeiten, begründe das grundsätzlich eine abhängige Beschäftigung, so die Kasseler Richter. Klinikträger, die Pflegepersonal suchen, bleibt als Konsequenz aus den Entscheidungen damit neben der Festanstellung lediglich die Beschäftigung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern.
Im ersten Verfahren hatte das Diakoniekrankenhaus Chemnitzer Land gGmbH in Sachsen mit einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) einen Dienstleistungsvertrag über die „selbstständige Erbringung von Pflegeleistungen“ geschlossen. Der Kläger, ein ausgebildeter Krankenpfleger, war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der UG, die über kein weiteres Personal verfügte. Die Pflege im Krankenhaus wurde vom Geschäftsführer selbst erbracht. Für seine Geschäftsführertätigkeit erhielt er von der UG ein monatliches Bruttogehalt von 500 Euro sowie eine Tantieme von 15 Prozent des Jahresgewinns.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte fest, dass der Krankenpfleger in allen Bereichen der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig war. Dagegen klagte der Mann. Das Krankenhaus hatte ihn in dem Verfahren unterstützt. Seine Tätigkeit als Geschäftsführer sei sozialversicherungsfrei, weil er kein Arbeitnehmer sei. Nicht die Klinik, sondern seine Kapitalgesellschaft als juristische Person habe ihn zur Erbringung von Fremdleistungen - hier der Pflege im Krankenhaus - beauftragt, lautete die Argumentation.
Das BSG urteilte nun aber, dass der Krankenpfleger in einem sozialrechtlichen „Beschäftigungsverhältnis“ zum Krankenhaus stehe. „Pflegekräfte im Krankenhaus sind regelmäßig abhängig beschäftigt“, sagte Andreas Heinz, Vorsitzender Richter des 12. BSG-Senats. Schließt ein Krankenhaus mit einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft einen Pflegevertrag ab, seien für die Prüfung einer abhängigen Beschäftigung die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend, in diesem Fall also, wie der beauftragte Geschäftsführer die Pflege erbringt. Sei er - wie üblich - in den Klinikbetrieb eingegliedert, weisungsgebunden und habe er die Pflege mit dem Klinikpersonal unter Nutzung der Sachmittel des Krankenhauses zu erbringen, könne von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden.
Maßgeblich seien die geschlossenen Verträge und wie diese konkret umgesetzt würden. Hier habe sich die Pflegetätigkeit des klagenden Geschäftsführers „nicht von der einer angestellten Pflegekraft unterschieden“. Seine Sozialversicherungspflicht sei auch „verfassungsrechtlich unbedenklich“.
Dennoch verwies das BSG das Verfahren an das Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz zurück. Es muss noch prüfen, ob der Kläger mit Blick auf die Höhe seines Einkommens von der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht befreit war.
Der zweite Fall aus Hessen war vergleichbar, nur dass hier der Geschäftsführer einer Ein-Personen-GmbH als Krankenpfleger auf der Intensivtherapiestation des Marienhospitals in Darmstadt tätig war. Die Gründung einer GmbH stelle die Sozialversicherungspflicht nicht infrage, so das BSG. Es fehlten hier indes noch Feststellungen, wie die Arbeit des Krankenpflegers konkret aussah, zumal das angemeldete Geschäftsfeld der GmbH auch Beratungsleistungen umfasste.
Bereits am 4. Juni 2019 hatte das BSG geurteilt, dass auch Honorarärzte in Krankenhäusern regelmäßig der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Für Ärzte gebe es keine eigenen Maßstäbe, so das Gericht. Wenn sie in die Arbeitsorganisation der Klinik eingegliedert seien und sich ihre Tätigkeit nicht wesentlich von der angestellter Ärzte unterscheide, liege eine abhängige Beschäftigung vor. Weitere Punkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprächen, seien ein fehlendes unternehmerisches Risiko und auch die Nutzung von Betriebsmitteln des Krankenhauses.
Gleiches gelte für angestellte Ärzte, die nebenberuflich auf Honorarbasis als Notärzte arbeiten, urteilte das BSG am 19. Oktober 2019. Auch diese Mediziner seien derart in die Abläufe des Rettungsdienstes eingegliedert, dass von einer abhängigen Beschäftigung und nicht von einer freiberuflichen Honorartätigkeit auszugehen sei.
AZ: B 12 BA 01/23 R und B 12 R 15/21 R (Kapitalgesellschaft)
Az.: B 12 R 11/18 R (Honorarärzte)
Az.: B 12 KR 239/19 R, B 12 R 9/20 R und B 12 R 10/20 R (Notarzt)