Ludwigshafen (epd). Manchmal sind es die kleinen gemeinsamen Momente, die Kraft im Pflegealltag geben. „Edith, wollen Sie noch etwas Bananenbrei essen?“, fragt der Pfleger die ältere demenzkranke Dame in dem Lehrvideo. Bisher saß sie nur teilnahmslos am Tisch, doch nun blickt sie den Mann an, der ihr das Essen reicht und sagt freundlich lächelnd: „Nein“.
Der Pfleger in einem Altenpflegeheim „hat das Anschlussmoment“ gefunden, kommentiert die freie Pflegeberaterin Karola Becker. Oft seien nur 30, 40 Sekunden der persönlichen Zuwendung nötig, um zu altersverwirrten, pflegebedürftigen Menschen durchzudringen. Das gemeinsame Lachen tue gut - und gebe Pflegefachpersonen Kraft in ihrem aufreibenden Job, sagt Becker. „Wir müssen die Goldmine finden, die jeder in sich hat.“
Viele der 16 Pflegefachpersonen aus Rheinland-Pfalz, die in einem Raum der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen zusammengekommen sind, nicken zustimmend. Sie haben sich angemeldet für das seit April laufende Pilotprojekt „Pro* Pflege“. Anbieter sind das Forschungsnetzwerk Gesundheit der Hochschule und die Graduate School Rhein-Neckar, finanziell gefördert wird es vom Land Rheinland-Pfalz, der Unfallkasse Rheinland-Pfalz und der Franziskusstiftung für Pflege.
In mehreren Kurseinheiten erhalten die Teilnehmenden vor allem online Fachwissen von Pflegeexperten, wie sie ihre körperliche und seelische Gesundheit stärken, wie sie widerstandsfähiger - „resilient“ - werden können, sagt die Projektleiterin, die Pflegewissenschaftlerin Andrea Kuhn von der Hochschule.
Sie sagt, die Herausforderungen für die Fachleute im Beruf seien enorm: Viele seien aufgrund des massiven Personalmangels körperlich und psychisch überlastet, erkrankten und verließen nicht selten frustriert ihren Job. Rund 1,7 Millionen Menschen waren in Deutschland im Jahr 2022 laut Bundesagentur für Arbeit in der Pflege beschäftigt.
Das Resilienzprojekt wolle in einer „Verbindung von Berufsethos, Pflegefachlichkeit und Gesundheit“ die Pflegeprofis unterstützen, erklärt Kuhn. Zugleich solle die Pflegeversorgung gesichert werden. Vor allem die psychische Belastung von in der Pflege tätigen Menschen sei bisher vernachlässigt worden, sagt Kuhn. Viele opferten sich mit hohem beruflichem Elan für ihre Patientinnen und Patienten auf - oft bis in den Burnout.
Für menschliche Zuwendung im Pflegealltag „haben wir nur wenig Zeit“, bekräftigt Lisa Georgens vom Westpfalz Klinikum mit Sitz in Kaiserslautern, das ein Projektpartner ist. Viele überlastete Pflegefachpersonen plage das Gefühl, sich nicht ausreichend um die ihnen anvertrauten Menschen kümmern zu können. Zahlreiche angehende Fachpersonen seien dem Leistungsdruck nicht gewachsen und brächen ihre Ausbildung ab, berichtet Natalia Buchholz vom DRK-Bildungszentrum für Gesundheitsberufe in Hachenburg im Westerwald.
Geradezu überlebenswichtig sei es deshalb für Pflegerinnen und Pfleger, ihre persönlichen Ressourcen zu entdecken, sie zu bewahren und aus eigener Kraft eine innere Balance zu finden, betont Beraterin Becker. Dabei nutzt sie die Methode „Marte Meo“: Videosequenzen zeigen Situationen einer gelungenen Kommunikation mit Menschen mit Pflegebedarf auf. Diese positiven Erlebnisse seien motivierend, stärkten das Selbstwertgefühl von Pflegefachpersonen und erleichterten letztlich deren Arbeitsalltag.
Nötig sei zudem der Selbstschutz, macht Becker deutlich. Pflegefachpersonen am Limit müssten auch Grenzen setzen und nicht alle Arbeit auf sich nehmen. Dabei gehe es darum, das Tempo herunterzufahren und auch Angehörige von Menschen mit Pflegebedarf etwa bei der Essensvergabe mit einzubeziehen.