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Freiwilligendienste: Regierung plant Einsparungen statt Ausbau



Berlin (epd). Die Sparvorgaben für den Bundeshaushalt treffen auch die Freiwilligendienste. In den kommenden beiden Jahren sollen die Mittel für die Jugendfreiwilligendienste und den Bundesfreiwilligendienst um insgesamt 113 Millionen Euro gekürzt werden, wie das Bundesfamilienministerium auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bestätigte. Angesichts der Härte der Haushaltsverhandlungen hätten die nötigen Mittel für den bedarfsgerechten Ausbau der Dienste leider nicht gesichert werden können, erklärte das Ministerium.

„Wichtiges Instrument wird kaputtgespart“

Die Diakonie Deutschland rechnet vor, die Pläne bedeuteten einen Rückgang der Mittel um mehr als ein Drittel (35 Prozent). Vorständin Maria Loheide warnte, es drohe jede vierte Freiwilligenstelle wegzufallen. Die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) erklärte mit Blick auf die Rhetorik der Ampel-Koalition, „gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fordern und gleichzeitig ein wichtiges Instrument kaputtzusparen, passt politisch nicht zusammen“.

Im Einzelnen sollen die Ausgaben für den Bundesfreiwilligendienst von 207 Millionen Euro in diesem Jahr auf gut 154 Millionen Euro im nächsten Jahr und 2025 noch einmal auf gut 134 Millionen Euro sinken. Den Jugendfreiwilligendiensten steht eine Etat-Kürzung von derzeit 120 Millionen Euro in zwei Schritten auf gut 80 Millionen Euro bevor. Diese betrifft das freiwillige soziale oder ökologische Jahr für junge Menschen im In- und Ausland. Im Bundesfreiwilligendienst können sich Erwachsene jeden Alters engagieren.

Das Ministerium erklärte, Aussagen zu zukünftigen Platzzahlen seien frühestens im Herbst 2023 möglich. Der in diesem Sommer startende Jahrgang an Freiwilligen könne aber noch „im vollen Umfang bis zum Ablauf im Sommer 2024 finanziert werden“. Im auslaufenden Freiwilligenjahr engagieren sich knapp 54.000 Jugendliche. Rund 36.000 Menschen leisten einen Bundesfreiwilligendienst.

Streitigkeiten in der Koalition

SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, sie würden die Plätze „nachfragegerecht ausbauen“. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln hat nach eigenen Angaben keinen Überblick, wie viele Plätze es derzeit und künftig für wie viele Bewerberinnen und Bewerber gibt. Ein Sprecher sagte, die Interessenten richteten ihre Anfragen direkt an die Anbieter.

Die Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche, Anne Gideon, sagte dem epd, sie „bedaure sehr“, dass der Haushaltsplan des Bundes „massive Kürzungen“ vorsehe. „Kindergrundsicherung, Elterngeld und Freiwilligendienst dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, betonte Gideon angesichts der Streitigkeiten in der Koalition um den Etat von Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Wenn Menschen Freiwilligendienste leisteten, sei das gut für sie und die Gesellschaft, sagte Gideon.

„Wir werden in den Haushaltsverhandlungen streiten“

Auch aus den Ampel-Fraktionen kommt Kritik. Die jugendpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Emilia Fester, sagte dem epd, die Koalition habe sich vorgenommen, die Freiwilligendienste zu stärken und durch ein höheres Taschengeld und Teilzeitmöglichkeiten attraktiver zu machen. Die Reformpläne lägen bereit, versicherte Fester: „Für die angemessene Finanzierung der Träger werden wir in den Haushaltsverhandlungen streiten.“

Der Bundestag berät nach der Sommerpause über den Bundeshaushalt für 2024, den das Kabinett bereits gebilligt hat. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte den Ministerien Sparvorgaben gemacht. Der familienpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Matthias Seestern-Pauly, äußerte sich ebenfalls kritisch, sieht die Verantwortung aber bei den Grünen. Er sagte dem epd, die Kürzungen von Familienministerin Paus seien „sehr schmerzlich“. Seine Fraktion werde sich „im Zuge der parlamentarischen Haushaltsberatungen genau anschauen, ob wir hier nicht noch zu Verbesserungen kommen können.“

Bettina Markmeyer


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