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Kommission: Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen möglich




Demo in Berlin gegen "Mietenwahnsinn"
epd-bild/Chistian Ditsch
Knapp zwei Jahre nach dem Berliner Volksentscheid über Enteignungen von großen Wohnungsunternehmen haben Experten grünes Licht für deren Vergesellschaftung gegeben. Der Bericht der Kommission stößt auf geteiltes Echo.

Berlin (epd). Das Land Berlin kann einer Expertenkommission zufolge große Wohnungsunternehmen vergesellschaften. Das geht aus dem am 28. Juni veröffentlichten Bericht der Kommission zur „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ hervor. Darin heißt es, das Land habe nach dem Grundgesetz die Kompetenz für eine Gesetzgebung zur Vergesellschaftung von Immobilienbeständen großer Wohnungsunternehmen.

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit steht demnach der Vergesellschaftung nicht entgegen. Einem Sondervotum zufolge kommt bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit dem Eigentumsgrundrecht der Unternehmen ein größeres Gewicht als dem Anliegen einer Vergesellschaftung zu.

Vergesellschaftung muss verhältnismäßig sein

Die Höhe der anfallenden Entschädigung kann sich an den Erträgen aus der gemeinnützigen Bewirtschaftung orientieren. Einem Sondervotum zufolge muss dagegen vom Verkehrswert der Immobilie ausgegangen werden. Laut einem anderen Sondervotum sind neben genossenschaftlichen auch kirchlich getragene Wohnungsunternehmen von der Vergesellschaftung auszunehmen.

Die Vorsitzende der Kommission, die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), sagte bei der Übergabe des Berichts an Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU): „Vergesellschaftung ist keine Enteignung“. Es sei nicht Aufgabe der Kommission gewesen, eine politische Bewertung vorzunehmen. Eine Vergesellschaftung dürfe nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nur erfolgen, wenn sie ein legitimes Ziel verfolge, erforderlich sei und es kein milderes Mittel gebe.

Wegner sagte, es sei kein Geheimnis, dass er beim Thema Vergesellschaftung „stets skeptisch“ gewesen sei. Berlin wolle bezahlbare Mieten, Rechtssicherheit sowie Neubauten nicht abwürgen.

Bürgerinitiative: Historischer Tag

Der Berliner Mieterverein forderte das Land Berlin auf, umgehend ein Gesetz zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen zu erlassen. Die Geschäftsführerin des Vereins, Ulrike Hamann, sagte, beim Mietendeckel sei vor allem das Problem gewesen, dass das Bundesverfassungsgericht dem Land Berlin nicht die Gesetzgebungskompetenz zugestanden habe.

Die Kommission bestand aus 13 vom Senat benannten Mitgliedern. Bei dem im September 2021 abgehaltenen Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hatten 56,4 Prozent der Berliner für eine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen gestimmt. Die gleichnamige Initiative sprach im Zusammenhang mit dem Bericht der Expertenkommission von einem historischen Tag. Sprecherin Constanze Kehler sagte: „Die Enteignung von Immobilienkonzernen ist rechtssicher, finanzierbar und das beste Mittel, um den Mietenwahnsinn zu stoppen.“

Der Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer, Sebastian Stietzel, betonte, das „Ergebnis der Expertenkommission ändert nichts daran, dass Enteignungen dem Wirtschaftsstandort Berlin massiv schaden“. Im Koalitionsvertrag zur Bildung des Berliner Senats verständigten sich CDU und SPD darauf, im Fall einer „verfassungskonformen Vergesellschaftungsempfehlung“ durch die Experten ein entsprechendes Rahmengesetz zu verabschieden.

Bettina Gabbe