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Armut

Verbände dringen auf Neuberechnung des Existenzminimums von Kindern




Die Kindergrundsicherung lässt auf sich warten. (Themenfoto)
epd-bild/Detlef Heese
Die Ungeduld von Familien- und Sozialverbänden über den "Stillstand" bei der Kindergrundsicherung wächst. Ein Bündnis von 28 Organisationen fordert Sozialminister Heil auf, den Weg frei zu machen für eine Kindergrundsicherung, die vor Armut schützt.

Berlin, Potsdam (epd). In der Debatte um die geplante Kindergrundsicherung fordert ein Bündnis von 28 zivilgesellschaftlichen Organisationen Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) auf, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Neudefinition des Existenzminimums für Kinder anzugehen. So könne der Weg frei gemacht werden für eine Kindergrundsicherung, die vor Armut schützt, heißt es in einem 31. Mai veröffentlichten gemeinsamen Aufruf. Die neue Sozialleistung werde sich daran messen lassen müssen, ob sie die soziokulturellen Grundbedürfnisse von Kindern tatsächlich abdecke.

„Keinerlei Bemühungen des Sozialministeriums“

Mit Ausnahme einiger „deskriptiv-unverbindlicher Papiere“ seien bislang aber keinerlei Bemühungen des Bundessozialministeriums erkennbar, das Existenzminimum für Kinder neu zu definieren, kritisierten die Organisationen, darunter Deutsches Kinderhilfswerk, Diakonie und Paritätischer Gesamtverband: „Es wäre nicht hinnehmbar, wenn die für die Kindergrundsicherung entscheidende Frage des 'Was und wie viel braucht ein Kind' auf die lange Bank geschoben und das Projekt damit zum Scheitern gebracht würde.“

Nach den Plänen der Ampel-Koalition soll die Kindergrundsicherung ab 2025 ausgezahlt werden und bisherige Familienleistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Unterstützungen für Bildung und Teilhabe bündeln. Zugleich sollen Zugangshürden für Familien abgebaut werden.

Die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder beschloss auf ihrer Frühjahrstagung am 26. Mai in Potsdam mit 15 von 16 Stimmen, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Einführung der geplanten Kindergrundsicherung zu unterstützen. Die Bundesministerin wertete den gefassten Beschluss als ein „starkes Signal“. Die Vorsitzende der Konferenz, Brandenburgs Familienministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), sagte, die Kindergrundsicherung sei ein „ganz fundamentales sozialpolitisches Projekt“, das zügig umgesetzt werden müsse.

21,6 Prozent der Kinder von Armut bedroht

Umstritten ist in der Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP, ob mit der Kindergrundsicherung auch eine Erhöhung der Leistungen einhergehen soll. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt das mit Verweis auf eine angespannte Haushaltslage und andere Prioritätensetzungen ab.

Diakonie-Vorständin Maria Loheide erklärte am 31. Mai in Berlin, es reiche nicht aus, Leistungen schlanker und unbürokratischer zu gewähren, so wichtig das auch sei. Das Existenzminimum selbst müsse sauber und realistisch ermittelt werden. So reichten die bisherigen Ansätze bei der Ernährung nicht einmal aus, um den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu folgen.

Das Armutsrisiko für Kinder und Alleinerziehende ist im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Der Anteil der von Armut bedrohten Kinder und Jugendlichen lag laut Statistischem Bundesamt bei 21,6 Prozent und damit um 0,3 Prozentpunkte höher als 2021. Dies geht aus einer Datenabfrage der Linksfraktion des Bundestags bei der Behörde hervor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

Stefan Fuhr, Markus Jantzer