sozial-Branche

Familie

Gastbeitrag

"Freie Adoptionsvermittlungsstellen sind in ihrer Existenz gefährdet"




Claudia Brinken
epd-bild/Diözesan-Caritasverband Köln
Um Paare nach einer Adoption besser beraten und begleiten zu können, braucht es nach der Auffassung von Claudia Brinken mehr Personal. Die Caritas-Expertin analysiert im Gastbeitrag die Lage der freien Träger und skizziert Auswege aus der Finanznot.

Für viele kinderlose Paare stellt die Adoption die einzige Möglichkeit dar, ein Kind zu bekommen. Dabei steht das Kindeswohl immer an erster Stelle. Das Adoptionshilfe-Gesetz vom 1. April 2021 untersagt nicht nur Auslandsadoptionen ohne Begleitung einer Adoptionsvermittlungsstelle, sondern beinhaltet auch mehr Rechte für Adoptierte und eine bessere Begleitung für Familien vor, während und nach einer Adoption.

Praktisch bedeutet das für alle Adoptionsvermittlungsstellen eine erhebliche Erweiterung ihres Aufgabenkatalogs. Das betrifft die kommunalen Jugendämter genauso wie die Vermittlungsstellen freier Träger etwa von Caritas und Diakonie. Allerdings hat es der Gesetzgeber verpasst, diese finanziell abzusichern. Einige freie Anbieter sind daher in ihrer Existenz bedroht.

Appelle an die Politik verpuffen

Ein ans Land Nordrhein-Westfalen gerichteter Appell von Caritas, dem Evangelischen Verein für Adoption und Pflegekinderhilfe (EVAP), Diakonie sowie dem SkF Gesamtverband, eine anteilige Refinanzierung zu ermöglichen, blieb bislang erfolglos. Deshalb sind drei andere Lösungswege sinnvoll, auf die ich näher eingehen möchte.

Schon seit Jahren ist bundesweit ein Sterben der freien Adoptionsvermittlungsstellen zu beobachten. Fast immer geht es dabei um Finanzierungsprobleme. Aktuell gibt es in Deutschland 31 Stellen in katholischer Trägerschaft. Auf Landesebene sind oft die katholischen Dienste die einzigen freien Träger. Allein in Nordrhein-Westfalen arbeiten 14 von insgesamt 20 freien Adoptionsvermittlungsstellen in Trägerschaft der Caritas und ihrer Fachverbände. Welche von ihnen 2024 weiter am Start sind, ist derzeit nicht absehbar.

Anders als die kommunalen Jugendämter erhalten freie Adoptionsvermittlungsstellen keinerlei öffentliche Mittel für die Übernahme staatlicher Aufgaben. 2021 hatte der Gesetzgeber zwar die Möglichkeit, mit der Reform des Adoptionshilfe-Gesetzes dieses Ungleichgewicht durch eine gesicherte Refinanzierung wieder auszugleichen, nutzte sie jedoch nicht. Stattdessen erweiterte der Gesetzgeber den Aufgabenkatalog und verschärfte die Anforderungen an die Qualität der Vermittlung.

Mehr Pflichten, höhere Ansprüche und viel Papierkram

Damit gehen zusätzliche Beratungspflichten, Rechtsansprüche oder auch neue Dokumentationsaufgaben einher, die laut LVR-Landesjugendamt Rheinland einem personellen Mehrbedarf von bis zu 25 Prozent je Adoptionsdienstleister entsprechen. Von den Diensten in der Freien Wohlfahrtspflege ist das nicht mehr aus Eigenmitteln zu stemmen. In der Folge fehlt es in vielen Bundesländern an einer nichtbehördlichen Adresse für die Adoptionsvermittlung, obwohl der Gesetzgeber eine Trägervielfalt ausdrücklich begrüßt.

Entsprechend schnell müssen das Land und die Kommunen jetzt gegensteuern. Freie Träger brauchen für ihre Arbeit mehr Rückenwind. Es darf nicht so weit kommen, dass Mütter, die ihre Kinder nach der Geburt abgeben und bereits negative Erfahrungen mit Ämtern gemacht haben, in ihrer Notlage keine Anlaufstelle finden, an die sie sich vertrauensvoll wenden können. Häufig begleiten die Beratungsstellen der Caritas und ihrer Fachdienste Frauen und Männer lange vor der Geburt ihres Kindes. So entstehen intensive Kontakte, die die wenigsten kommunalen Adoptionsdienste in dieser Form bieten können.

Kooperationsverbünde mit Jugendämtern könnten Stärken zum Vorteil aller an einer Adoption Beteiligten bündeln. Im Sinne des Subsidaritätsprinzips würden Kooperationen auch zu den erforderlichen Kostenvereinbarungen zugunsten freier Träger führen. Leider bestehen diese in Nordrhein-Westfalen bisher nur an zwei Standorten, weil sich viele Jugendämter - durch ihren Sicherstellungsauftrag hoheitlicher Aufgaben - daran gehindert sehen, zumindest Teile ihrer Aufgaben auszulagern.

Kirchen sichern Übergangsfinanzierung

Ein weiterer Lösungsweg, den die Caritas bereits aktiv angeht, stellt die Übergangsfinanzierung über kirchliche und andere Stiftungsmittel dar. Auch die Kirchen müssen an diesem Handlungsfeld festhalten. Adoptionsvermittlung ist ein wichtiger Baustein in dem komplexen Hilfsangebot rund um die Geburt.

Beratungsgebühren zu erheben, kommt für die Caritas und ihre Fachverbände hier nicht in Frage, weil sie mit dem Schicksal kinderloser Paare kein Geld verdienen möchten - auch wenn das das Überleben der nicht refinanzierten Stellen sichern könnte. Bei anderen gewerblichen Trägern sieht das ganz anders aus. Daran darf auch künftig nicht gerüttelt werden. Adoption darf keinesfalls nur noch für reiche Familien möglich sein.

Als existenzsichernd für die Adoptionsvermittlung der freien Träger betrachten wir als Caritas darüber hinaus die Öffnung bestehender Landes- und kommunaler Finanztöpfe. Seit Jahrzehnten stehen die freien Adoptionsvermittlungsstellen für breit aufgestellte Dienste sozialer Arbeit in der Freien Wohlfahrt, deren Expertise und Aufgaben weit über die reine Adoptionsvermittlung hinausgehen. Dazu gehört die psychosoziale und fachliche Beratung der Adoptivbewerbenden in ihrer Vielfalt (unerfüllter Kinderwunsch, gleichgeschlechtliche Paare, Einzelpersonen, Stieffamilien) genauso wie die Zusammenarbeit mit anderen sozialen Diensten aus der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, Familiengerichten und anderen Behörden sowie die wichtige „Wurzelsuche“ Adoptierter.

Gerade das Wissen um die persönliche Vorgeschichte des Adoptivkindes ist eine Voraussetzung für das Gelingen einer Adoption. Die freien Träger unterstützen und beraten dabei Adoptierte bei der Suche nach der Herkunftsfamilie. Die Diakonie in Niedersachen beispielsweise kann das bereits nicht mehr leisten. Sie stellte ihr Angebot zur Wurzelsuche ein und überführte die Akten in die Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle für Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Claudia Brinken ist Referentin für Adoptions- und Pflegekinderdienste und Frühe Hilfen beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln.