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Gesundheit

Ärztin hilft traumatisierten Kindern in der Ukraine




Sabine Schönwälder
epd-bild/Gabriele Ingenthron
Der russische Angriffskrieg führt bei ukrainischen Kindern und Jugendlichen zu posttraumatischen Belastungsstörungen. Die Regensburger Ärztin Sabine Schönwälder bildet deshalb Traumatherapeuten in der ukrainischen Stadt Uzhgorod aus.

Regensburg/Uzhgorod (epd). Es sind die Gewalterfahrungen, die ukrainische Kinder und Jugendliche seit Kriegsausbruch im Februar 2022 nahezu täglich machen. Sie müssen in Luftschutzkeller flüchten, erleben Todesängste, sehen kaputte Häuser, Wohnungen, manchmal sogar Tote. „Es ist traumatisierend, wenn Kinder in den beschossenen Kriegsgebieten leben, extrem traumatisierend, wenn Kinder erfahren müssen, dass Familienangehörige durch den Krieg umkommen, wenn sie Zeuge werden von blutigen Ereignissen“, sagt Sabine Schönwälder, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie aus Regensburg.

Am 27. Mai fuhr sie mit einem Team in die westukrainische Stadt Uzhgorod, um dort Traumatherapeuten für Kinder und Jugendliche auszubilden. Schönwälder reist nicht zum ersten Mal in die Ukraine, um ehrenamtlich Therapeutinnen und Therapeuten auszubilden. 2013 begann ihre Mission bei der Diakonie-Station der evangelischen Kirche St. Paul in Odessa, der Partnerstadt von Regensburg. Dort gab sie bisher ihre professionelle Erfahrung an die Kollegen in der Ukraine weiter. Doch Odessa ist derzeit nicht sicher genug.

Erstmals Unterstützung für Kinder

Bisher galt die therapeutische Unterstützung immer den Erwachsenen. Nun sind es zum ersten Mal Kinder mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, die die Expertin in den Blick nimmt. „Der Bedarf ist immens“, sagt Schönwälder. Ihre Informationen bekommt sie unter anderem von der ukrainischen Stiftung Hope, die Therapiezentren für die „Children of War“ errichtet, damit sie den Weg zurück ins Leben und in die Zukunft finden.

Der Krieg sei ein „Konglomerat von massiven Faktoren, die für sich allein schon eine Traumatisierung hervorrufen können“. Kinder könnten zwar relativ viele schlimme Ereignisse aushalten, „wenn die Eltern gut an ihrer Seite bleiben und das abfangen durch Bindungssicherheit. Aber das ist ja momentan nicht gegeben, weil diese selbst traumatisiert sind“, sagt Schönwälder.

Für die engagierte Ärztin sei Traumatherapie eine Form der Friedensarbeit. Kinder zu behandeln, ist nach ihren Worten von besonderer Relevanz, weil es um die nächste Generation geht. „Wenn Traumatisierte im Opferstatus bleiben - und traumatisierte Menschen sind immer im Opferstatus -, werden sie zu Tätern, wenn sie mächtig werden. Kann sein, dass man Macht als Eltern hat oder man hat institutionelle Macht. Das ist ein transgenerationaler psychologischer Mechanismus, den man durch Traumatherapie unterbrechen kann“, sagt Schönwälder.

Eklatanter Mangel an Traumatherapeuten

In der Ukraine gibt es nach ihren Angaben einen eklatanten Mangel an zertifizierten Traumatherapeuten, die eine spezielle Ausbildung für Kinder und Jugendliche haben. Deshalb wollen die Trainer die Seminare in der Ukraine in Präsenz abhalten, weil so auch die männlichen Kollegen teilnehmen können, die derzeit das Land nicht verlassen dürfen. Gerade sie seien essenziell für die traumatherapeutische Versorgung der ukrainischen Kriegskinder. „Die Väter sind nicht da, viele kommen nicht zurück, weil sie gefallen sind. Da sind männliche Bezugspersonen umso wichtiger.“

Für das Projekt „Kindercurriculum“ haben sich 24 ukrainische Therapeuten angemeldet. Die Seminarreihe wird unter anderem von der Diakonie Bayern, dem Martin-Luther-Verein, der Stadt Regensburg und privaten Geldgebern finanziert.

Gabriele Ingenthron