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Gesundheit

Studie: Entlassene Krankenhauspatienten werden zu wenig unterstützt



Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sind Patientinnen und Patienten häufig auf sich gestellt. Das ist besonders für ältere Menschen ein Problem. In anderen europäischen Ländern werden die Betroffenen besser unterstützt, zeigt eine Studie.

Siegen/Mannheim (epd). Deutschland schneidet nicht gut ab, wenn es um die Koordinierung von Gesundheitsversorgung und Pflege geht. Das haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Siegen und des Mannheimer Zentrums für europäische Sozialforschung herausgefunden. Für ihre Untersuchung haben sie die Situation in Deutschland, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz verglichen, wie die Universität Siegen am 22. Mai mitteilte. „Deutschland kommt dabei am schlechtesten weg - es fehlt an funktionierenden Strukturen, qualifiziertem Personal und klaren Zuständigkeiten“, schreiben die Autoren.

Die Forscher führen in ihrer Studie ein Beispiel aus dem Alltag an: Eine Seniorin erleidet einen Oberschenkelhalsbruch. Nach der stationären Behandlung im Krankenhaus möchte sie gerne weiter selbstständig in der eigenen Wohnung leben. Dazu benötigt die Patientin jedoch auf unbestimmte Zeit professionelle Hilfe. Dann muss innerhalb kürzester Zeit das komplette Alltagsleben neu organisiert werden. „In keinem der drei Vergleichsländer sind Patienten und ihre Familien so sehr auf sich gestellt wie in Deutschland“, kritisieren die Wissenschaftler.

„Eine Zumutung für alle Beteiligten“

„In Deutschland ist es in erster Linie Aufgabe der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen, notwendige Pflegeleistungen nach einem Krankenhausaufenthalt zu organisieren“, erklärte der Siegener Gesundheitssoziologe und Leiter der Studie, Claus Wendt. Die einzige Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung sei das Entlass-Management der Krankenhäuser. Jedoch stehe dort häufig zu wenig Zeit zur Verfügung. Wendt nannte daher „das deutsche System für alle Beteiligten eine Zumutung“.

In den Niederlanden und in Schweden gebe es dagegen "ein klares Hausarzt-System. Das heißt: Jeder Patient und jede Patientin ist dort in die Liste eines Hausarztes oder einer Hausärztin eingetragen. Die Ärzte sind für die Einweisung ins Krankenhaus zuständig - und werden informiert, sobald die Entlassung ansteht. Sie seien eng in die Organisation der notwendigen Pflegeleistungen eingebunden und übernähmen die Koordination mit dem Krankenhaus, berichtete Wendt.

Kommunen eingebunden

Neben den Hausärztinnen und -ärzten seien in anderen Ländern auch die Kommunen in die Koordination von Pflegeleistungen eingebunden. So unterstützten in der Schweiz die Kommunen ältere Menschen darin, Pflegeleistungen und Dienste wie Einkäufe, Essen auf Rädern oder Behördengänge zu organisieren.

Um die Situation für Patienten und ihre Angehörigen in Deutschland zu verbessern, empfiehlt Wendt den Aufbau größerer Strukturen: Ambulante Medizinische Versorgungszentren und große Krankenhauszentren könnten mehr Aufgaben bei der Koordination von Pflegeleistungen übernehmen. Auch müssten die Kommunen stärker eingebunden werden.

Für die Studie führten die Forscherinnen und Forscher nach den Angaben in den vier Ländern 50 Interviews mit Organisationen und Akteuren aus dem Pflegesektor - davon 17 in Deutschland, 15 in den Niederlanden, zehn in Schweden und acht in der Schweiz. Außerdem wurden die jeweiligen institutionellen Voraussetzungen erhoben.

Markus Jantzer