Es war eine besonders schlechte Nachricht für Menschen mit Behinderung, als im Frühjahr das Baden-Württembergische Sozialministerium mitteilte, dass im aktuellen Doppelhaushalt keine Fördermittel für den Bau von barrierefreien und den Förderrichtlinien entsprechenden Wohnungen für Menschen mit Behinderungen (mit hohem Unterstützungsbedarf) vorgesehen seien. Denn dieser Förderstopp benachteiligt Menschen mit Behinderungen, weil es in Baden-Württemberg eine Aufteilung der Förderzuständigkeit im sozialen Wohnungsbau gibt.
Für Menschen, die selbständig leben können, ist das Bauministerium mit einer guten finanziellen Ausstattung zuständig, für Menschen mit Behinderung, die auf (hohe) Unterstützung angewiesen sind (insbesondere auf Wohnungen gemäß dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz WTPG)) ist das Sozialministerium zuständig. Das bedeutet in der Praxis, dass gerade diejenigen Menschen, für die die hohen Erwartungen der UN-Behindertenrechtskonvention und des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) geweckt sind, kaum noch eine Chance auf eine eigene Wohnung haben.
Die in der „Initiative e.V.“ verbundenen Leistungserbringer der Behindertenhilfe verstehen sich als eine starke Interessensgruppe, die derzeit rund 75 Prozent aller Angebote in den sogenannten „besonderen Wohnformen“ in ganz Baden-Württemberg abdecken. Gerade diese Interessengruppe sieht sich zur Umsetzung der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention und des Bundesteilhabegesetzes verpflichtet.
Insbesondere unterstützen sie die Menschen mit Behinderungen, die bis dato in den sogenannten „besonderen Wohnformen“, leben bei ihrer Suche nach Wohnungen. Oft müssen sie als Hauptmieter eintreten, weil Vermieter die direkte Vermietung an einen Menschen mit Behinderungen scheuen.
Noch viel öfter finden sich aber gar keine geeigneten Wohnungen. Die gewünschte und gesetzlich geforderte Inklusion kommt nahezu zum Stillstand, wenn dem Wohnungsmangel nicht entgegengewirkt wird, erst recht, wenn auch noch, wie eingangs beschrieben, die staatliche Förderung ausgesetzt wird.
Eine Studie des Pestel Instituts „Wohnsituation von Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg“ aus dem Dezember 2020 belegt den gravierenden Mangel von Wohnungen für Menschen mit Behinderungen. Die Initative hat ihre Forderungen zur Unterstützung der Interessen der Menschen mit Behinderungen in Briefen und Gesprächen mit dem Bauministerium, einer Petition an den Petitionsausschuss und Mitte April in einem Schreiben an Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vorgebracht. Gleichzeitig macht sie ihre Forderungen auch öffentlich.
Damit wieder mehr für Menschen mit Behinderung geeigneter Wohnungen entstehen, ist es erforderlich,
Konkret fordert die Initiative außderdem, dass durch geeignete Maßnahmen der Stadt- und Landkreise und der Landesregierung bis zum Jahr 2025 für Menschen mit Behinderungen zusätzlich zu bestehenden oder aktuell geplanten Maßnahmen 5.000 bezahlbare und geeignete Wohnungen bereitgestellt werden, davon mindestens 1.000 barrierefreie.
Um dieses Ziel von 5.000 Wohnungen zu erreichen, braucht es ein Bündel von Maßnahmen. Die wichtigsten Forderungen dazu sind:
1. Das Landeswohnraumfördergesetz muss angepasst und WTPG-konform ausgestaltet werden, indem Integrations- und Inklusionsbemühungen sowie eine Quotenregelung integriert wie auch ein Ausschluss der Menschen mit Behinderungen vermieden werden.
2. Für private und öffentliche Investoren müssen nachhaltige Anreize und Fördermöglichkeiten geschaffen werden, um Wohnraum insbesondere für Menschen mit kognitiver und psychischer Behinderung zu schaffen.
3. Auf kommunaler Ebene braucht es geeignete und transparente Verfahren, um selbständige Wohnraumentscheidungen von Menschen mit Behinderung zu ermöglichen und zu unterstützen.
4. Beteiligungen an Mietverträgen oder Unterstützungen seitens der Leistungserbringer oder rechtlichen Betreuer im Interesse von deren Klienten dürfen nicht länger zum Nachteil von Menschen mit Behinderung führen.
5. Insgesamt muss die Lobby von Menschen mit Behinderung beim Thema „Wohnraum“ durch geeignete Beteiligungsverfahren (insbesondere auf kommunaler Ebene) gestärkt werden. Auch hierzu braucht es rechtliche Absicherungen, gegebenenfalls durch eine Verordnung.
Es braucht aus unserer Sicht eine gemeinsame Anstrengung der Stadt- und Landkreise, der Landesregierung und derjenigen, die die Umsetzung bewerkstelligen sollen: Investoren und genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnbaugesellschaften. Die Einrichtungen der Initiative stehen jedenfalls bereit, um die Menschen mit Behinderungen zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen.