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Behinderung

Gastbeitrag

Behindertenrat: Gesetz zu Inklusivem Arbeitsmarkt muss kommen




Sigrid Arnade
epd-bild/H.-Günter Heiden
Der Deutsche Behindertenrat (DBR) sieht im geplanten Inklusionsgesetz für den Arbeitsmarkt einen kleinen Schritt nach vorn. DBR-Sprecherin Sigrid Arnade analysiert und bewertet in ihrem Gastbeitrag die geplanten Reformen. Sie sagt: Das Gesetz darf nicht im Bundesrat scheitern.

Für uns als Deutscher Behindertenrat ist klar: Das Inklusionsgesetz geht in die richtige Richtung. Aber die Schritte im „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes“ sind für manche Verbände in unserem Bündnis noch zu klein und zu mutlos. Dennoch drohen unionsgeführte Bundesländer, das Gesetz am 12. Mai im Bundesrat scheitern zu lassen. Das darf keinesfalls geschehen.

Worum geht es? Kernstück des Gesetzes ist die Verdoppelung der Ausgleichsabgabe für Betriebe, die ihrer Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen gar nicht nachkommen. Alle Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten sind gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Personen zu besetzen. Es gibt aber inzwischen in Deutschland über 44.000 beschäftigungspflichtige Betriebe, bei denen kein einziger schwerbehinderter Mensch arbeitet, Tendenz steigend. Schon länger hatte Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, für diese Betriebe die Ausgleichsabgabe deutlich zu erhöhen - was die Union jedoch wohl nicht mittragen will.

Für die Ausgleichsabgabe reicht die Portokasse

Das soll mit dem neuen Gesetz nun geschehen. Statt 360 Euro monatlich für einen nicht besetzten Pflichtplatz zu zahlen, werden dafür künftig für Betriebe ab 60 Beschäftigten 720 Euro fällig. Für kleinere Betriebe fällt die Erhöhung geringer aus.

Unsere Verbände begrüßen das Vorhaben, kritisieren aber gleichzeitig, dass die Arbeitgeber diese Leistungen weiterhin von der Steuer absetzen können. Meiner Meinung nach zahlen die Unternehmen diese Abgabe immer noch aus der Portokasse. Vor diesem Hintergrund ist der Widerstand der unionsgeführten Bundesländer einfach nur lächerlich.

Es gibt weitere Neuerungen im Gesetz, die von uns begrüßt werden:

  • So soll künftig eine Genehmigungsfiktion für Ansprüche behinderter Menschen gegenüber dem Integrationsamt gelten, wenn das Integrationsamt innerhalb von sechs Wochen nicht reagiert. Das kann beispielsweise zur Folge haben, dass nach Ablauf dieser Frist eine beantragte Arbeitsassistenz automatisch als bewilligt gilt.
  • Beim Budget für Arbeit wird die bislang gültige Deckelung des Lohnkostenzuschusses aufgehoben: Das ermöglicht eine bessere Entlohnung der Betroffenen. Allerdings gibt es hier auch einen Wermutstropfen. Einige unserer Verbände kritisieren, dass keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt werden für Menschen, die nach den Regeln des Budgets für Arbeit tätig sind. Das bedeutet, dass die Betroffenen wieder in die Werkstatt zurückkehren müssen, wenn das Arbeitsverhältnis aus irgendeinem Grund endet.
  • Ich begrüße, dass der „Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin“ neu ausgerichtet wird. So müssen dem Beirat künftig nicht mehr ausschließlich ärztliche Vertreterinnen und Vertreter angehören, was der verstärkten Teilhabeorientierung der Behindertenpolitik Rechnung trägt. Doch gehe ich davon aus, dass hier die Diskussionen wohl weitergehen werden. Noch ist nämlich eine Mehrheit von Ärztinnen und Ärzten vorgesehen.

Ende der Bußgelder ist das falsche Signal

Ich begrüße die Erhöhung der Ausgleichsabgabe für die sogenannten „Null-Beschäftiger“, ich kritisiere jedoch die Streichung der zugehörigen Bußgeldvorschrift. Bisher mussten Arbeitgeber mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro rechnen, wenn sie ihrer Beschäftigungspflicht dauerhaft nicht nachkamen. Dieses Instrument ist zwar selten angewandt worden. Aber es deshalb jetzt abzuschaffen, ist das falsche Signal an die Arbeitgeber. Sie könnten sich ermutigt fühlen, ihrer gesetzlichen Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen weiterhin nicht nachzukommen. Vielmehr hätte man nicht länger die Bundesagentur für Arbeit damit beauftragen sollen, die Bußgeldvorschrift anzuwenden, sondern beispielsweise den Zoll.

Sigrid Arnade ist die Sprecherin des Deutschen Behindertenrats