Karlsruhe (epd). Für die zwangsweise Unterbringung einer psychisch kranken Straftäterin in einem psychiatrischen Krankenhaus muss die verminderte Schuldunfähigkeit während der Tat ausreichend belegt sein. Allein die Feststellung, dass die Einsichtsfähigkeit der Frau bei Tatbegehung erheblich gemindert gewesen war, reicht nicht als Nachweis für eine Schuldunfähigkeit oder eine verminderte Schuldunfähigkeit aus, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 19. April veröffentlichten Beschluss klar. Vielmehr müsse auch festgestellt werden, dass die Betroffene bei Ausführung ihrer Tat das begangene Unrecht gar nicht erkannt hat.
Im Streitfall ging es um eine an einer paranoiden Schizophrenie erkrankten Frau aus Hamburg. Sie litt an Wahnvorstellungen und meinte, dass sie Opfer zahlreicher sexueller Übergriffe gewesen sei.
Als die Frau Ende August 2020 ihre medikamentöse Behandlung abbrach, erlitt sie eine akute Psychose. In diesem Zustand ging sie am 11. September 2020 in ein Einkaufszentrum und wollte einen zweijährigen dort spielenden Jungen vor den Augen der Eltern zu sich nach Haus oder zur Polizei mitnehmen. Sie ging davon aus, dass das Kind in Gefahr sei.
Als der Vater dem Jungen zur Hilfe eilte, entgegnete sie: „Wenn ihr auf Euer Kind nicht aufpasst, dann ist das Kind halt weg“. Sie warf dem Vater noch vor, dass dieser sie zur Prostitution gezwungen habe. Es kam schließlich zu einer Rangelei, bei der der Vater des Kindes die Frau zu Boden brachte und festhielt, während sie lauthals schrie und Drohungen ausstieß. Eltern und Kind wurden durch den Vorfall nachhaltig belastet.
Das Landgericht Hamburg ordnete für die psychisch kranke Frau die zwangsweise Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Sie sei bei Tatbegehung erheblich in ihrer Einsichtsfähigkeit vermindert und damit vermindert schuldfähig gewesen.
Doch das muss schon näher begründet werden, forderte der BGH, der das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Landgericht zurückverwies. Allein die fehlende Einsichtsfähigkeit reiche für die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit nicht aus. Es fehle die Feststellung, dass die Frau ihr Unrecht nicht erkannt hat. Nur dann sei von einer verminderten Schuldfähigkeit auszugehen.
Az.: 5 StR 79/23