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Gesundheit

"Zum Bier gehört für unsere Gäste die Zigarette"




Im "Schmalen Handtuch" in Osnabrück: Raucher Kay Niepert und Nichtraucher Philipp Pues
epd-bild/Detlef Heese
Rund 15 Jahre ist es her, dass in Deutschland der Nichtraucherschutz Gesetz wurde. In 13 Bundesländern wird in Raucherkneipen aber immer noch gequalmt. Das sorgt bei Gesundheitsschützern für Unmut.

Oldenburg (epd). An den Wänden hängen Bilder und Sprüche. In den Regalen hinter der Theke türmen sich Gläser und Flaschen mit Whiskey und Schnaps, auf zwei großen Leinwänden läuft ein Fußballspiel. Die Gäste sitzen an der Bar oder an den Tischen, trinken - und rauchen.

Ein Anblick, der für die Bewohner der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Saarland ungewöhnlich ist. Denn dort sind Raucherkneipen seit etlichen Jahren verboten. In den 13 übrigen Bundesländern sind sie erlaubt, wenn sie kleiner als 75 Quadratmeter sind und kein warmes Essen anbieten. Und so zieht ein Großteil der Gäste in der Kneipe „Strohhalm“ im niedersächsischen Oldenburg an der Zigarette.

Initiative: Brauchen generelles Rauchverbot

Ernst-Günther Krause von der Nichtraucher-Initiative Deutschland plädiert nachdrücklich für ein generelles, bundesweites Rauchverbot in Kneipen. Die Regelung zu rauchfreien Gaststätten in Bayern und Nordrhein-Westfalen hätten sich bewährt. Der „Flickenteppich“ in Deutschland müsse zum Schutz der Gesundheit vor Tabakrauch beseitigt werden, verlangt die Initiative.

Die Gefahren des Rauchens sind seit langem bekannt: Jährlich sterben nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums in Deutschland rund 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Rauchen erhöht unter anderem das Risiko für Krebs und Infektionskrankheiten und schädigt das Herz-Kreislauf-System, Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folge sein. Rauchen in der Schwangerschaft stört die Entwicklung des ungeborenen Kindes.

Passivrauchen ist ebenfalls schädlich

Dabei ist nicht nur das aktive Rauchen schädlich, sondern auch das passive Einatmen, das sogenannte Passivrauchen. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin geht davon aus, dass Menschen, die sich in einem verrauchten Raum wie einer Kneipe aufhalten, pro Stunde genauso viele Schadstoffe einatmen, als hätten sie selber eine Zigarette geraucht.

Im „Strohhalm“ hat das Rauchen Tradition. „Zum Bier gehört für unsere Gäste nun mal die Zigarette“, sagt Jan Honke, seit 17 Jahren Betreiber der kleinen Kneipe, während er sich selber eine Pfeife stopft. „Früher haben wir auch kleine Speisen wie Baguette oder Suppe angeboten“, erzählt er. Aber als dann die gesetzlichen Vorgaben kamen, hat er sich für die Raucherkneipe entschieden.

Darüber, wie viele Raucherkneipen es in Deutschland gibt, hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband keine gesamtdeutschen Zahlen. Sie verbergen sich irgendwo unter den rund 20.000 Kneipen und Schankwirtschaften und unter den fast 200.000 Betrieben im Gastgewerbe - wobei die genaue Zahl aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in den Ländern schwer festzustellen ist. Zumal das Rauchen in den meisten Bundesländern auch in Nebenzimmern erlaubt ist, wenn der Rauch nicht in die anderen Räume dringen kann.

Verband sieht guten Kompromiss

Für den Verband sind die Regeln zum Nichtraucherschutz in den 13 Bundesländern mit klar definierten Ausnahmen für Nebenräume und Eckkneipen „ein guter Kompromiss, der allgemein akzeptiert wird“, sagt Sprecherin Stefanie Heckel. In NRW und Bayern, zwei Ländern mit striktem Rauchverbot, sehe das allerdings anders aus. Viele Eckkneipen seien dort auf der Strecke geblieben. Ob das wirklich daran lag, dass nicht mehr geraucht werden durfte, oder doch an Corona oder der schlechten wirtschaftlichen Lage, lässt sich schwer nachprüfen.

Dabei ist der Anteil der Raucherinnen und Raucher in Deutschland, der seit 1990 fast kontinuierlich gefallen war, jetzt wieder gestiegen: laut der „Deutschen Befragung zum Rauchverhalten“ von rund 27 Prozent vor Corona auf jetzt 35,5 Prozent. Bei Männern liegt er höher als bei Frauen.

Die Zahl der Menschen, die Zigaretten oder E-Zigaretten rauchen, ist insbesondere unter Jugendlichen größer geworden: Der Anteil erhöhte sich innerhalb von drei Jahren von 8,7 Prozent auf 15,9 Prozent, was für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein „sehr großer Grund zur Sorge“ ist.

Jugendliche haben keinen Zutritt

In Raucherkneipen haben Jugendliche unter 18 Jahren allerdings keinen Zutritt. Der Oldenburger Radiomoderator Ulrich Bernstorf ist Stammgast. Er raucht seit der Schulzeit, dreht selber und findet es „total super“, dass es in Niedersachsen Raucherkneipen gibt. „Ich liebe diese Atmosphäre“, sagt er. Zur Zigarette trinkt er ein Bier oder Cognac, plaudert mit seinem rauchenden Kumpel gegenüber.

Beide wissen, dass Rauchen schädlich ist, aber die Warnungen auf den Packungen schrecken sie nicht. Nur müsse die Kleidung nach dem Kneipenbesuch wie seit der Jugend weiterhin in die Wäsche, „denn die Klamotten stinken einfach“.

Michael Ruffert