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Wenn eine psychische Krankheit die Lebenspläne durchkreuzt



Psychisch kranke Menschen brauchen geschützte Arbeitsplätze. Viele kommen bei sozialen Einrichtungen unter. Andere wollen auf den ersten Arbeitsmarkt zurück. Eine Bruchsalerin will Menschen Mut machen, sich mit ihrer Krankheit nicht zu verstecken.

Bruchsal (epd). Heute sagt Sabine Weise von sich „ich bin zufrieden“. Das war nicht immer so. Die 62-Jährige arbeitet bei der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten in der Montageabteilung, macht Vorarbeiten für Fotovoltaikanlagen. Seit 1994 hat sie ihren Arbeitsplatz in den geschützten Werkstätten.

Kein Zurück auf den ersten Arbeitsmarkt

Die gebürtige Karlsruherin studierte noch, als eine psychische Krankheit ihr Leben von heute auf morgen veränderte. Eheprobleme und Trennung bedeuteten für die damals 28 Jahre alte Studentin Stress. „Ich lag auf dem Sofa, hatte nur noch Angst, keinen Appetit, nichts ging mehr“, erinnert sich Weise. Seither lebt sie mit der Diagnose „schizoaffektive Psychose“. Auf depressive Phasen folgten manisch überdrehte. Die bipolare Störung ließ sich medikamentös gut einstellen. Dennoch: Eine Fortsetzung des Studiums und eine Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt waren für Weise zu viel.

Die Einsicht, dass es keinen Weg zurück auf den ersten Arbeitsmarkt geben würde, brauchte Zeit. Die Mutter einer erwachsenen Tochter jobbte, unter anderem in einem Bioladen. Ihre Medikamente nahm sie unregelmäßig. Lange ging das nicht gut. „Man denkt dann, es geht wieder - aber es geht nicht“, berichtet Weise. Bei der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten verrichtet sie einfache Arbeiten. „Das ist für mich der passende Platz“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Arbeit gebe ihr das Gefühl, „etwas zu leisten“.

An einem Nachmittag gibt sie ehrenamtlich einen Englischkurs. Diese Tätigkeit zumindest konnte die Frau, deren Pläne von einer Depression durchkreuzt wurden, von ihrem Lebenstraum retten. Außerdem ist sie nach sechs Aufenthalten in der Psychiatrie beim Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) im Landkreis Karlsruhe als „Psychiatrieerfahrene“ tätig. Dem GPV gehört unter anderem das Diakonische Werk im Landkreis Karlsruhe an. Das Netzwerk setzt sich für die Verbesserung und Planung der psychiatrischen Versorgung ein.

„Lebensläufe weisen Brüche auf“

Die Tagesstruktur bei der Lebenshilfe und die Mitarbeiter vom Sozialdienst geben Sabine Weise Halt. „Es braucht oft eine lange Zeit, bis die Akzeptanz da ist, dass man nicht mehr voll arbeitsfähig ist“, weiß Wolfgang Stoss vom Sozialdienst. Seit über 30 Jahren betreut er bei der sozialen Einrichtung psychisch kranke Menschen.

„Es gibt einen großen Anteil an Personen, die einen Schutzraum brauchen“, sagte Stoss. Bei einer psychischen Erkrankung wie einer Depression sei ebenso entscheidend wie eine therapeutische Begleitung die Unterstützung Betroffener bei der Wiedereingliederung ins Arbeitsleben, erklärt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe auf ihrer Website.

„Viele Lebensläufe weisen Brüche auf“, berichtet Stoss. Etwa ein Drittel der Beschäftigten der Lebenshilfe Bruchsal leidet an einer psychischen Erkrankung. Einige wenige schaffen es, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. „Es braucht zu jeder Zeit eine Begleitung beim Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt“, sagt Stoss. Manch einer komme wieder zurück in den geschützten Raum der Lebenshilfe.

Eine stressfreie Umgebung

Die Leiterin für berufliche Bildung bei der Lebenshilfe Bruchsal-Bretten, Katja Pahl, und Jobcoach Lilli Stab begleiten Menschen bei der Wiedereingliederung ins Berufsleben. Die Einstellung von psychisch Erkrankten in einem Betrieb stelle auch für den Arbeitgeber eine Herausforderung dar, betonen sie. „Ich bin froh, dass es solche Arbeitgeber gibt“, sagt Stab. Seelisch behinderte Menschen bräuchten eine stressfreie Umgebung.

Zur Forderung, wegen des aktuellen Fachkräftemangels mehr Menschen mit Behinderung einzustellen, sagt Pahl: „Die Gesellschaft muss die Beschäftigung dieser Menschen mittragen.“ Ihre Kollegin Stab beobachtet „einen vorsichtigen Wandel auf dem Arbeitsmarkt“. Eine Entwicklung, die Betroffenen Mut machen könnte, sich mit ihrer Krankheit nicht zu verstecken.

Susanne Lohse